Morgen Mittwoch kommt im Landtag das neue Schulgesetz in die 2. Beratung und soll anschließend auch beschlossen werden. Wir greifen das Thema Schulverbünde heraus, welches uns seit 5 Jahren beschäftigt und nun also im Schulgesetz verankert werden sollen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Was hier präsentiert wird, ist eine blumige Umschreibung des bisher als "Außenstelle" bekannten, zeitlich befristeten Konstruktes. Ergänzt wird es mit dem Zusatz des jahrgangsübergreifenden Unterrichtes/Klassenbildung, etwas was bereits heute an verschiedensten kleinen Schulen notgedrungen praktiziert wird. Nun soll dies dauerhaft möglich sein.
Eine Analyse ergibt jedoch: Noch mehr Verordnungen, noch mehr Einschränkungen und noch mehr Abhängigkeit der Standortgemeinden von (noch zu erarbeitenden!!) Verordnungen und Entscheidungen der Obersten Schulbehörde. Hier einige Knackpunkte und versteckte Fallen für die kleinen Schulen des ländlichen Raumes:
Unterschied Außenstelle - Schulverbund?
- Das hier beschriebene Konstrukt ist exakt das, was wir bisher als Außenstelle kennen. Jene war zeitlich befristet. Hier wird nun vorgegaukelt, es handle sich um eine zukunftsfähige Lösung.
- Tatsächlich verliert die kleinere Schule ihre Selbstständigkeit, wird (in der alten Terminologie) juristisch fusioniert und hat sich dem Konzept und Verwaltung der größeren Schule unterzuordnen. Weshalb eigentlich?
- Eine Wiedererlangung der Selbstständigkeit (z.B. wegen später zunehmender Schülerzahlen) kommt einer Neueröffnung gleich und erfordert (laut SEPL-VO2014 ) Zweizügigkeit!
- Während Schulverbünde aus mehreren kleinen Standorten bestehen, wird hier klar auf "eine kleine" und eine "größere" Schule fokussiert. Deswegen halten wir fest: DAS IST NICHTS ANDERES ALS DIE KLASSISCHE AUSSENSTELLENLÖSUNG !!! In Sachsen-Anhalt nennt man dies nun Schulverbund.
"Eine Grundschule im ländlichen Raum mit geringer Einwohnerdichte..."
- Diese "geringe Einwohnerdichte" ist definiert mit "weniger als 70 Einw./km2". Das ist eine extreme Einschränkung, denn laut noch gültiger SEPL-VO2014 kommen dann lediglich folgende Regionen in Betracht:
- Es kann aber noch schlimmer kommen, wenn sich plötzlich eine Betrachtungsweise auf die Landkreise in diese Bewilligungskriterien einschleicht, was auf dem Verordnungswege passieren kann. Hier Landkreise und Bevölkerungsdichte Sachsen-Anhalt.
Wieder die Keule "Bildung von Anfangsklassen":
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Über diese Verordnung (welche erst im Nachhinein durch das Bildungsministerium ausgearbeitet werden wird und worauf der Landtag KEINEN Einfluss mehr hat ), kann die gesamte Schulentwicklungsplanung gesteuert werden. Dazu Beispiele:
- Einzelstandort A mit 70 Schülern erreicht für die kommenden 2 Jahre die benötigte Schülerzahl zur Bildung von Anfangsklassen NICHT. Wie viele Kinder werden benötigt? Weiterhin 15, oder schraubt man diese Zahl hoch? Die gesamte Zukunftsplanung des Standortes wackelt. Angewiesen auf "Ausnahmegenehmigung" des Landesschulamtes. Nach welchen Kriterien? Und was, wenn diese Klasse nicht eröffnet wird? "Handlungsbedarf" = Schulschließung" oder Übergangslösung Schulverbund? Planungssicherheit auch bezüglich Investitionen und Fördergelder Fehlanzeige!!!
- Wozu gibt es denn im Schulgesetz NEU diesen Satz? Wenn er nämlich generell und nicht nur für Schulverbünde Gültigkeit haben sollte, dann erübrigt sich das leidige Thema "Mindestschülerzahlen von Anfangsklassen". Eine normale Schule wäre also in der Lage, diese zwei schwach besetzten Jahrgänge in einem Doppelklassenzug zu führen.
Der wirkliche Haken an der ganzen Geschichte: Die "größere Schule" wird zum Schließungshebel für die kleinere Schule des Schulverbundes !
Die noch zumutbare Mindestgröße für die kleinere Schule des Schulverbundes wird mit 40 definiert. Die Erläuterung der größeren Schule hier im Wortlaut:
- Und jetzt bitte mitrechnen! Kleinere Schule: Heutige 60-er Schulen erhalten die Möglichkeit, auf bis zu 40 Schüler (also um einen Drittel!!) zu schrumpfen, sofern sie mit einer größeren Schule von mindestens 80 Schülern einen Schulverband eingehen! Daraus könnte man Demographiefestigkeit für die kommenden 15 Jahre ableiten.
- Die größere Schule wird mit Ihrer Mindestschülerzahl auf 80 definiert ( entsprechend 40 der kleineren Schule). Um also dieselbe Elastizität und zeitliche Perspektive wie die kleinere Schule zu haben, benötigt die größere Schule zum heutigen Zeitpunkt 120 Schüler!
- Kleine Schule Mindestschülerzahl 40 = 2/3 der gegenwärtigen Mindestschülerzahl. Umgelegt auf größere Schülerzahl: Mindestschülerzahl 80 = 2/3 . Für Planungssicherheit mit derselben Elastizität benötigen wir aber HEUTE 3/3= 120 Schüler. Wo bitte haben wir diese 120-er - Schulen im "dünn besiedelten ländlichen Raum?
- Natürlich kann ich auch mit einer 90-er Schule einen Schulverbund angehen. Das Problem wird sein, dass wenige Jahre später die geforderten 80 Kinder nicht mehr erreicht werden, Schüler herumgeschoben werden müssen, um diese Mindestzahl zu halten, ansonsten die gesetzlichen Voraussetzungen für den Schulverbund entfallen.
Wieder keine Planungssicherheit! Auslaufmodell, bevor es überhaupt auf den Markt kommt!
Um mittelfristige Planungssicherheit für einen Schulverbund zu haben, Fördermittel für notwendige Investitionen abgreifen zu können, benötigen die Standortträger und Kommunen eine Planungsperspektive von mindestens 15 Jahren! Diese ist mit der gegenwärtigen Definition von Schulverbünden theoretisch für die kleinen Schulen hergestellt, wird aber am Nichtvorhandensein genügend großer Schulen mit 120 Schülern im ländlichen Raum scheitern!
Das Konstrukt Schulverbund entpuppt sich somit als ein vorausgreifendes Schulschließungsprogramm, welches im neuen Schulgesetz und in der neu zu erarbeitenden SEPL-VO 2019 inkludiert sein wird.
Schulverbünde = Außenstellen, werden ein Übergangsmodell sein, in welchem die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen für spätere Schließungen bereits geschaffen sind, die Landesverwaltung sich hitzige Diskussionen ersparen und mit Verweis auf die bereits getroffenen kommunalen Entscheidungen (=Schulverbund, Schulstandort ist nicht mehr eigenständig, größere Schule braucht mehr Schüler, Kostenersparnis auf der Personalseite etc...) durchziehen kann. DAS ist die einzige Neuerung in Sachen "mehr Entscheidungskompetenz für Schulträger". Alles Andere ist eine weitere Zentralisierung schulischer Entscheidungen auf die Ebene Oberste Schulbehörde. Das Korsett wird also noch enger geschnürt. Die Attraktivität, Schule vor Ort zu entwickeln, schwindet für alle Beteiligten an den öffentlichen Grundschulen Sachsen-Anhalts..
Hauptsache Futter für den nächsten Wahlkampf!
Mit Sicherheit wird das Thema "Rettung kleiner Schulen durch Schulverbünde" ein zentrales Argument bei den kommenden Kommunalwahlen 2019 sein. Das wäre dann zum dritten Male in Folge, dass Wahlkämpfer und Parteien gegenseitig Schulter klopfend "Schulen retten", wo in Wirklichkeit ein weiteres Fundament für Schulschließungen ab 2021/22 gegossen wurde. Spannend wird sein, ob bis zu jenem Zeitpunkt die in diesem Beitrag erwähnten Verordnungen vorliegen werden.....
Hier die Gesetzesvorlage, wie sie der Landtag zur Beschlussfassung kriegt.
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