Das Warten geht weiter |
Nach Sichtung aller Unterlagen im Bewilligungsverfahren um die Freie Grundschule Kamern sind wir fassungslos. Wenn dieser Ablauf des Antragsverfahrens von Gerichten als regulär, fachlich wie verwaltungsrechtlich korrekt, dem Antragsteller gerecht werdend, bezeichnet wird, dann haben wir in diesem Lande ein Problem. Es lautet:
Die Landesverwaltung hat das Recht, nach eigenem Gutdünken, die eigenen Vorgaben und Verordnungen missachtend, Anträge freier Schulträger 3 Wochen vor den Sommerferien mit einem einzigen Schlagwort abzulehnen: ...kein besonderes pädagogisches Interesse... und auf den Rekursweg zu verweisen. Wissend, dass diese Schule mit Sicherheit in diesem Jahr nicht ans Netz gehen wird und darauf spekulierend, dass den Antragsstellern nun endlich die Puste ausgeht.
Das Thema ist komplex und wir greifen zu zwei Galerien, in welchem alle unsere Vorwürfe überprüft werden können:
Galerie 1: Ablehnungsentscheid des Bildungsministeriums. Rot = Übernahme des Zwischenberichtes im copy-paste-Verfahren (weshalb wir auf zusätzliche Verlinkung des Zwischenberichtes verzichten). Orange: Fehlannahmen, Fehler, und (gelinde ausgedrückt) fragwürdige Behauptungen. Blau: Neuer Text im Ablehnungsentscheid.
Galerie 2: Stellungnahme des Antragstellers vom 09.05.2017 zum Zwischenbericht des Bildungsministeriums vom 28.04.2017. Orange: Widerlegung, Korrektur von wesentlichen Aussagen oder Fehlern des Zwischenberichtes.
Wir halten fest:
- Der Verwaltung ist es offenbar erlaubt, ein am 29.9.2016 eingereichtes Pädagogisches Konzept des Antragstellers am 3.11.2016 ohne weitere Begründung per e-Mail als abgelehnt zu kommunizieren? Sehr geehrte Frau Wischer,heute wurde mir die Stellungnahme des Fachreferates zu dem von Ihnen eingereichten überarbeiteten Konzept aus dem Bildungsministerium übersandt. Es konnte kein besonderes pädagogisches Interesse an der Errichtung der Grundschule festgestellt werden.
- Der Verwaltung ist es offenbar erlaubt, Antragsteller von freien Schulen zwei Monate über den in der Verordnung vorgesehenen Termin zur Abgabe eines Zwischenberichtes hinzuhalten? Kein Einzelfall!! (Spätestens Ende Februar muss der Antragsteller benachrichtigt werden, Eingang des Zwischenberichtes 28. April 2017)
- Demzufolge ist es nicht von Belang, einen Freien Schulträger im Antragsverfahren um glatte 2 Monate hängen zu lassen, ihn zu blockieren? Dies in einem Zeitfenster, in welchem die öffentlichen Schulen ihre Schülerzahlen für das kommende Schuljahr zu melden haben und Eltern, welche Kinder in zu bewilligende freie Schule schicken möchten, massiv bearbeitet werden! Ihr solltet euch jetzt endlich entscheiden...
- Der Verwaltung scheint es offenbar erlaubt, den Entscheid zum Antrag auf Genehmigung so zu fällen, dass dieser erst 9 Tage NACH dem in der Verordnung vorgesehenen Termin (1. Juni) in die Hände des Antragstellers kommt? Dieser erste Juni als Beschlusstermin führt angesichts nahender Sommerferien und der rechtlich zustehenden Rekursmöglichkeit des Antragstellers zu einer weiteren Hängepartie von 6 - 8 Wochen nach Eintreffen des Entscheides. Für alle Beteiligten (mit Ausnahme der Verwaltung!) ein völlig unzumutbarer Zustand!
- Der Verwaltung ist es offensichtlich erlaubt, grobe Fehler in einem Zwischenbericht unbesehen und wortgetreu in die Argumentation des Schlussberichtes zu übernehmen, obwohl der Antragsteller in seinem Zwischenbericht diese Ausführungen faktisch und fachlich widerlegt hat !!
- Der Verwaltung ist es offenbar erlaubt, nach Ablehnung des Antrages im Jahre 2016 Hinweise auf “Verbesserungen” im neuen Konzept zu geben, z.B. Benotungsbeispiele/Schnittstelle und dies dann in der Beurteilung des neuen Konzeptes als “im Widerspruch” zum Konzept stehend zu bewerten?
- Der Verwaltung ist es offensichtlich erlaubt, Gutachten aus dem eigenen Hause, welche dem Antragssteller im ersten Antragsverfahren 2016/17 ein “besonderes pädagogisches Interesse” bescheinigen, im zweiten Verfahren NICHT mehr zu berücksichtigen? (Akteneinsicht durch Antragsteller 24.02.2017)
- Im Weiteren ist es völlig normal dass zwei unabhängige Fachgutachten zum Pädagogischen Konzept des Antragstellers im Schlussbericht wie folgt zusammengefasst werden? ”Die vom Antragsteller herangezogenen Gutachter bestätigen ebenso ein Konzept, das den aktuellen Anforderungen an eine Grundschule umfassend Rechnung tragen soll. Auch die Gutachter arbeiten keine wesentlich neuen Akzente heraus, die richtungsweisend in der Grundschulpädagogik werden könnten”. Hier Eines der beiden Gutachten - wer findet den Fehler?
- Der Verwaltung steht es zu, jeden kritisierten Punkt absolutistisch mit Ja oder Nein zum Konzept zu verknüpfen und nicht von der Möglichkeit einer “Bewilligung mit Auflagen” Gebrauch zu machen? (Honorarverträge, perspektivische Leistungsbewertung, Schnittstelle Übertritt)
- Der Verwaltung steht es zu, eine 12-seitige professionelle Stellungnahme des Antragstellers im Entscheid zu erwähnen und mit zwei Sätzen wegzuwischen: Diese Unterlagen wurden der obersten Schulbehörde erneut vorgelegt. Die Prüfung hat ergeben, dass die oberste Schulbehörde erneut das pädagogische Interesse nach Art.7 Abs.5 GG nicht feststellen konnte.
- Der Verwaltung steht es zu, die konkrete Aufforderung des Antragsstellers, Schulen der Region, welche mit diesen oder ähnlichen Konzepten arbeiten würden, zu benennen, NICHT zu beantworten! Damit hätte man jedoch eine konkrete Vergleichsmöglichkeit.
- Der Verwaltung steht es folgedessen zu, Anträge eines freien Schulträgers mit “fehlendem pädagogischen Interesse nach Art.7 Abs.5 GG” abzulehnen, ohne darlegen zu müssen, WO dieses pädagogische Konzept in seiner Gesamtheit bereits mindestens gleichwertig umgesetzt wird?
- WENN das “pädagogische Interesse” dieses Konzeptes von Anfang an nicht gegeben ist, weshalb denn das ganze Hickhack im Zwischenbericht um Schülerbewertung, (vermeintlich) fehlende Fachlehrkräfte, (vermeintlich) falsche Angaben des Antragstellers bezgl. Unterrichtspräsenz von 2 oder 3 Lehrkräften? Konzeptumsetzung vor Konzeptprüfung als gezielte Verzögerungstaktik?
Das alles ist rechtens? Wirklich?
Falls dem tatsächlich so sein sollte, müssen sich Antragsteller wohl eingestehen, dass sie auf dem Antragswege einreichen können, was sie wollen. Das pädagogische Konzept kann in seiner Gesamtheit und Vernetzung zukunftsweisend sein, die abgelieferte Stellungnahme innerhalb von neun Tagen eine Spitzensleistung darstellen und in sich schlüssig sein, was man weder vom Zwischenbericht und noch viel weniger vom eigentlichen Entscheid sagen kann.
Letztlich wird das Projekt aus nicht näher eruierbaren und nachvollziehbaren Gründen mit dem Pauschal-Totschlagargument “kein besonderes pädagogisches Interesse” abgelehnt.
Manchmal kommt allerdings auch der Verdacht auf, an Stelle von “pädagogisch” sollte eigentlich “regionalpolitisch,schulpolitisch nicht gewünscht” stehen. (Berga 2015 erste zwei Abschnitte!!!), Kamern 2016, Werben 2016 letzter Abschnitt!!!, Berga 2016, Kamern 2017)
(Ironie ein) Vielleicht könnte folgendes Vorgehen Antragstellern mehr Rechtssicherheit geben:
“Bevor wir unseren Antrag einreichen: Könnte uns das Bildungsministerium bitte auf einer Sachsen-Anhalt-Karte alle Regionen rot einfärben, in denen mit keiner Bewilligung zu rechnen ist?”. (Ironie aus.) Natürlich nicht machbar, das Gesetz sagt Anderes.
Lassen Sie uns dieses ganze Theater an einem branchenfremden Beispiel erklären:
Ein Team von findigen Tüftlern verlangt die Typenzulassung für ein Fahrzeug, vollgepfropft mit Zukunftstechnologien, umweltfreundlich, alle Komponenten bereits erprobt und zertifiziert. In seiner Konzeption einmalig. Aber eben, es braucht die Typenzulassung.
Die Genehmigungsstelle will in einer ersten Phase Detailinfos, tändelt, kritisiert dann auf Basis übersehener oder nicht verstandener Zusammenhänge die Komponenten und zwingt Sie, hier nachzubessern, obwohl es eigentlich nichts nachzubessern gibt. Sie liefern und dann folgt der Bescheid. “Wir erkennen keinen Grund, hierfür eine Typenzulassung zu erteilen, auch unsere Autos haben vier Räder.” Alles klar?
Offensichtlich ist:
Menschen, welche einen positiven Beitrag zum Wohle unserer Kinder und einer Zukunftsperspektive für viele Dörfer leisten wollen, geraten in diesem Bewilligungsverfahren in einen Irrgarten mit falschen Beschilderungen, investieren unheimlich Zeit und Geld, werben um öffentliches Vertrauen und geraten letztlich unter unheimlichen öffentlichen und finanziellen Druck, fremdgewollt! Sie werden kaltschnäuzig in der Luft hängen gelassen, abgewatscht, nicht mal als Kompetenzpartner anerkannt - dies von Leuten, denen wir, wie in diesem Falle offensichtlich, genau diese benötigte Kompetenz absprechen.
Wir sind gespannt, wie das Landesverwaltungsgericht diese Vorgänge im ordentlichen Verfahren bewerten wird.
Aber ganz unabhängig davon: WAS sagen die Ministerien zu dieser Art des Umgangs mit mündigen und initiativen BürgerInnen, WO sind die Landtagsabgeordneten, welche da mal richtig Rabatz machen, WO sind die Verwaltungsgerichte, der Landesrechnungshof, welche in Kenntnis derartiger Verhältnisse mal eine systematische Prüfung solcher theoretisch beschriebener und in der Praxis nicht gehandhabter Verwaltungsabläufe vornehmen?
Kamern ist kein Einzelfall !
Dieselbe Geschichte lässt sich im Fall Berga 1:1 nachschreiben, dieselben Tändeleien, was Termine betrifft und zum Schluss, nach zweijährigem Tauziehen in diesem Falle noch ein ganz charmantes Argument des Bildungsministeriums. Hier nachzulesen.
Auch hier kann man zusammenfassen: Ziel erreicht. Schule verhindert. Bleibt die Frage: Aus fachlichen oder schulpolitischen Gründen?
Dossier:
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