Diese Woche ist in den Medien bundesweit beinahe mehr zum Thema Elterntaxi als zum Stichwort Schulanfang zu lesen, wobei natürlich ein direkter Zusammenhang besteht. "Verkehrschaos vor Schulen", Forderungen nach "autofreier Zone vor Schulhäusern" usw. sind Gegenstand der Berichterstattung. Ich möchte den Begriff noch erweitern: Neben den Taxis auf vier Rädern gibt es noch die Eltern-Sherpas. Sie begleiten ihr Kind von zu Hause bis vor die Schulhaustüre, tragen dabei die (viel zu schwere!!!!) Schultasche und stehen nach Schulschluss wieder bereit, um sich die (WIEDER viel zu schwere!!!) Schultasche zu schultern und ihr Kind nach Hause zu geleiten.
Liebe Eltern, erinnern Sie sich noch?
- Wie wir in unserer Kindheit in Gruppen von drei oder vier Kindern zur Schule und von dort nach Hause gegangen sind?
- Wie wir auf dem Nachhauseweg Dies und DAS entdeckt haben, ausprobieren mussten und dabei die Zeit vertrödelten - aber spannend war es, auch wenn dann wegen zu großer Verspätung mal das Mittagessen ausfiel, oder es andere elterliche Sanktionen gab.
- Wie wir auf dem Nachhauseweg noch einen Bach stauen mussten, dabei ins Wasser fielen und klatschnass nach Hause kamen?
- Wie wir mit derselben Quartier-Gang im Winter an freien Nachmittagen 1,5 Kilometer entfernt die "Großen" beobachteten, wo diese versuchten, ein Riet aufzustauen, auf dass daraus eine Eisfläche werde. Wenn dies dann gelang, waren das unsere Helden, denn auch wir durften uns auf diesem Eisfeld vergnügen .Klar, später haben wir das dann selbst ausprobiert.
- Wie wir ab und an mal mit einer blutigen Nase nach Hause kamen, weil wir uns auf dem Nachhauseweg beim Murmelspielen in die Haare gerieten - und die Eltern fanden: Das hat man davon, wenn man nicht sofort nach Hause kommt....
- Wie wir - dank eines kleinen Umweges von 500 Metern... - zuschauen konnte, wie ein Bauer mit der neuesten Maschine Heu mechanisch direkt auf den Wagen lud, während die Anderen dies noch mit der Heugabel machen mussten? WIR haben dann nachgerecht und zur Belohnung gab es ein Glas Most oder zwei.... Klar, Riesenverspätung, bis wir zu Hause waren. Die Hausaufgaben mussten dann bis in die Nacht hinein gemacht werden.
- Wie wir uns in dieser Weggemeinschaft Gleichaltriger sicher gefühlt haben? Waren wir mal alleine unterwegs, dann fehlte was, gingen wir ohne Bachstauen, Bauernknecht spielen, junge Enten beobachen zur Schule oder von dort nach Hause.
- Bestimmt ist es auch eine bleibende Erinnerung, dass Ihre Eltern sie schon mit finsterer Miene zu Hause erwarteten, weil ein Bewohner entlang des Schulweges bereits mitgeteilt hatte, dass sein Hund (der ewige Kläffer) von uns mit Steinen beworfen wurde, worauf er noch viel lauter kläffte. Ebenfalls haften blieb dann der Gang nach Canossa, weil wir MIT unseren Eltern besagten Hundebesitzer besuchten, wo wir natürlich kläffend empfangen wurden. Um das "Raubtier" umzustimmen, mussten wir ihn mit Hundebiscuits füttern. Auch DAS machte dann auf dem Heimweg jeweils Spaß und der Hund ist uns ans Herz gewachsen.
War das nicht eine spannende Zeit? Mal ehrlich: Der Schulweg war doch für uns Grundschüler oft interessanter als die Schule selbst. Und spätestens wenn der Magen knurrte, fanden wir dann auch den Weg nach Hause. Das Zeitlimit für meinen Nachhauseweg (eigentlich 15 Minuten) betrug 45 Minuten. Wurde dieses überschritten, hingen graue Wolken im elterlichen Wohnzimmer.
WANN und WO kriegen eigentlich unsere Kinder heute Zeit und Raum, solche Erfahrungen zu machen? WANN werden sie diese einmaligen Erfahrungen nachholen können?
..und falls es "lediglich" an der zu schweren Schultasche liegen sollte: Hier Infos. Diese Angaben sollten von den Schulen eingehalten werden.
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