Seit Dezember diskutiert eine gemischte Arbeitsgruppe den mutmaßlichen Lehrerbedarf bis zum Jahre 2027. Das Ergebnis überrascht nicht. Um DIE Lehrkräfte zu ersetzen, welche altersbedingt in Rente gehen, benötigt man mindestens dieselbe Anzahl Neueinstellungen. Darauf kann man auch ohne Expertenkommission kommen....
Inwiefern die neueste regionalisierte Bevölkerungsprognose angesichts der steigenden Geburtenzahlen auch belastbar und perspektivisch aussagekräftig sein wird, lassen wir hier mal außen vor. Jetzt geht es um was Anderes.
Das unglaubliche Personalentwicklungskonzept aus der Aera Bullerjahn
Es war von allem Anfang an umstritten. Sowohl Innenminister Stahlknecht wie auch der damalige Kultusminister Dorgerloh hatten gleich zu Beginn erklärt: "Nicht machbar". Trotzdem wurde es mit Berufung auf "Koalitionsvertrag" und "Koalitionstreue" von den beiden Regierungsparteien durch die Legislatur geboxt. So sah das alles aus und man beachte die markierten Zahlen:
5 Jahre lang hat man also systematisch Unterversorgung im Bereich Bildung und Öffentliche Sicherheit betrieben, um damit so genannte "Sparziele" im Landeshaushalt zu erreichen. Die Folgen sind bekannt. Unterversorgung ohne Ende.
Die große Kehrtwende
Nach den Landtagswahlen sitzen dieselben Parteien in der Regierung, allerdings wurden die Schlüsselministerien getauscht. Nun schreien dieselben Parteien nach mehr Lehrkräften, nach höheren Ausbildungsquoten an der Polizeischule, weil sie vor dem Problem stehen, dass sowohl Bildung wie auch der Bereich öffentliche Sicherheit zu kollabieren drohen - Folgen blinder, Zahlen orientierter parlamentarischer Hörigkeit während der Legislatur 2011-16. Stur verteidigt von der Regierungskoalition, welche alle Vorstöße und Warnungen zu diesem Thema abgeblockt hat. Jetzt also die Kehrtwende: (die Volksstimme berichtet)
Seit Dezember hatte eine Arbeitsgruppe am Bildungsministerium beraten. Zentrale Frage: Wie viele Lehrer braucht Sachsen-Anhalt bis 2030? Am Dienstag nun legten die Experten von Ministerien, beiden Unis und Lehrerpersonalrat Zahlen vor. Ergebnis: Durchschnittlich sind 650 Neueinstellungen jährlich mindestens bis 2027 nötig, um den Bedarf an Pädagogen zu decken........Die Kapazität soll danach weiter steigen. „700 Plätze werden nicht reichen, wir gehen von 800 als Unterkante aus“, sagte Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Dabei werde man auf die benötigten Fächerkombinationen schauen, ebenso auf die Schulformen.
Wie war das 2012? 200 Lehrkräfte/Jahr.... Nun also gibt man sich einsichtig - "beugt sich" einem in Auftrag gegebene Gutachten und spielt den erfolgreichen Krisen-Manager. Um sich erfolgreich als Macher präsentieren zu können, braucht man also zuerst ein Krise? Darf sie auch selbst gemacht sein? Auf dem Buckel der Lehrkräfte, der Kinder und deren Eltern? Wie makaber ist das denn?
Ja, das war schon mal ein Thema hier: Brandstifter gratuliert mutigen Feuerwehrleuten . Dafür wurden wir damals scharf angegriffen. Wer den Titel nun unter dem Schwerpunkt Lehrerversorgung durchliest, kommt zum selben Ergebnis. Und ja: Wahlen stehen auch wieder an....
... die Gretchenfrage:
Wer heute diese Ausbildung beginnt, wird voraussichtlich 2024 als Lehrkraft wählbar sein sein. Womit werden die über 700 Abgänge/jährlich bis zu jenem Zeitpunkt gedeckt? Es sind ja genau die kommenden zehn Jahre, welche diese hohen Abgänge bringen.
Wenn da also schon so toll gerechnet wird: Welches ist denn der mutmaßliche Lehrerbedarf im Jahre 2030 -35? DAS sind die Zeiträume mit denen Standortgemeinden ihre Schulen planen müssen.. Also weshalb nicht auch bei den Lehrkräften? Denn: Analog zum Rückgang der Schülerzahlen und angesichts der Alterspyramide im Lehrkörper müssen spätestens ab 2030 noch höchstens 200-300 Lehrkräfte neu eingestellt werden, wie die folgende Grafik untermauert:
Grafik Fakt ist-mdr |
Erst die Beantwortung dieser Frage zeigt die wirkliche Dimension, die Folgekosten und die Kettenreaktion dieser verbohrten "Koalitionsraison" der Jahre 2011-2016. Diese Alterslastigkeit und der sich daraus ergebende Neueinstellungsbedarf waren 2011 genau so absehbar - man hat dies schlicht und ergreifend ausgeblendet und kritische Stimmen kalt gestellt! Maßnahmen, welche bereits 2011 hätten ergriffen werden müssen, leitet man nun, im Jahre 2017 ein. Dies die sich daraus ergebende Fakten-Kette:
In vollem Bewusstsein in Unterversorgung - notwendige Personalvorsorge unterbleibt, wählbare Lehrkräfte werden 2012-2016 nicht angestellt - nachdem nichts mehr geht, aktionistische Erhöhung der Ausbildungsquoten (was jedoch partiell 5 Jahre später, real 7 Jahre später wirksam wird) - das drängende Problem der Lehrerversorgung 2018-24 kann durch Erhöhung der Studienplätze NICHT gelöst werden - spätestens nach 2024 müssen die Ausbildungsquoten erneut drastisch herunter gefahren werden, denn wie sagt die Expertenkommission: " ..650 Neueinstellungen bis mindestens 2027.." - und dann? - Ausbildungskapazitäten rigoros runterfahren, ab wann? 2022? - Eine massive Erhöhung des Personalpolsters an den Unis für lediglich 5 Jahre? Geht das?
Diese kurzfristige Kapazitätserweiterung an den Unis wird um ein Vielfaches teurer, als der vermeintliche Spareffekt des realitätsfernen PEK 2012. Wer übernimmt diesbezüglich die politische Verantwortung?
Fazit: Sachsen-Anhalt kriegt wieder einen altersmäßig unausgewogenen Lehrkörper in der Bandbreite von 10 Jahren, der für die kommenden 35 Jahre an unseren Grundschulen unterrichten wird. Die Alters-Spitze 50-60 Jahre in der obigen Grafik spiegelt sich im Laufe der kommenden 10 Jahre in der Altersgruppe 25-35. Das ist bedauerlich und ärgerlich, denn ein entschiedenes sachorientiertes Handeln ab 2008 hätte diese Spitze um weitere 10 Jahre in die Breite gezogen.
Es fehlt was Wichtiges: Wer sagt denn, dass von 750 Absolventen auch 750 Personen Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt werden? Bildungsexperten meinen: Um 750 Lehrkräfte zu generieren, müssen ca. 1100 Ausbildungsplätze vorgehalten werden. Auch dieser Wert ist eigentlich seit Jahren unbestritten...
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