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Freie Grundschule Kamern (1): Rahmenbedingungen einer Schulgründung

Gebäude der geplanten
Freien Grundschule Kamern
Morgen beginnt offiziell das neue Schuljahr, auch wenn der Unterricht erst in 10 Tagen aufgenommen wird. Ein Freier Schulträger, welcher in diesem Jahr zum zweiten Male Antrag auf Genehmigung als Freie Grundschule gestellt hat, hängt heute, am 31. Juli 2017 weiterhin in der Luft. Wird die Schule eröffnen oder nicht? Die Geschichte, welche zu dieser Situation geführt hat, ist derart ungeheuerlich, dass sie ausführlich dargestellt werden muss.

Vorbemerkungen:
  1. Das Aktionsbündnis Grundschule vor Ort vertritt den Standpunkt, dass die Bereitstellung einer ortsnahen Grundschulversorgung eine Pflichtaufgabe des Landes ist.
  2. In unseren Anhörungen vor dem Petitionsausschuss und den Bildungsausschüssen der CDU und der SPD haben wir mehrfach darauf hingewiesen, dass diese ortsnahe Beschulung mit den damals (aber auch mit den nachkorrigierten und heute geltenden) Mindestschülerzahlen der SEPL-VO2014 im dünn besiedelten ländlichen Raum nicht zukunftsfähig ist.
  3. Wir haben flexible Schülerzahlen nach unten eingefordert und als gangbaren Weg jahrgangsdurchmischte Klassenbildung ( also Bildung von Kombiklassen)  vorgeschlagen, womit eine ländliche Schule aus einer 1./2. Klasse und einer 3./4. Klasse besteht, ein gesundes Lehrer-/Schülerverhältnis und ortsnahe Beschulung weiterhin garantiert sind und auch in Sachen Wirtschaftlichkeit keine Einwände bestehen können.
  4. Im Weiteren haben wir darauf hingewiesen, dass ein weiteres Festhalten an Jahrgangsklassen mit den jetzigen Mindestschülerzahlen auf Grund der Demogafieprognosen zu weiteren Schulschließungen führen muss und dieses Vakuum ganz klar durch Freie Schulträger ausgefüllt werden wird, welche dann nach unserem vorgeschlagenen Schulorganisations-Modell arbeiten. Mit jeder freien Schule, welche demzufolge eröffnet (und das Gesetz erlaubt dies!),  würde der bestehende Schulentwicklungsplan der öffentlichen Schulträger  im ländlichen Raum über den Haufen geworden. Da häufig noch Förderprojekte mit verbindlichem Demografie-Check anhängig seien, habe dies für die öffentlichen Schulen fatale Folgen, drohe Fördermittelrückzahlung oder mangels fehlender Schüler die Schließung von öffentlichen Schulen, welche sich an der SEPL-VO2014 orientiere, was aber nicht für die Freien Schulträger gelte… Also ungleiche Spiesse.

NEIN!  JEIN… JA


Toiletten  Grundschule Kamern
Das Ergebnis NACH diesen Anhörungen im Januar 2014 war eindeutig. Nein, Nein, Nein! Lächerlich, wie die Folgejahre zeigten, denn die Realität zwingt zum Einlenken auf diesen Kurs - oder aber es gibt im ländlichen Raum keine ortsnahe Grundschulbildung mehr. So kam es denn auch:

  • Verzicht auf Erhöhung der Mindest-Schülerzahlen für die Jahre nach 2017/18, aber weiterhin festhalten am Jahrgangsklassensystem (Dez. 2014)
  • Die verfehlte Personalentwicklungsplanung und die fatalen Fehlberechnungen im Sparpotential (auf welche wir bereits im Januar 2014 hingewiesen hatten) führten geradewegs in die Unterversorgung.
  • Verschärft wurde diese Unterversorgung durch den Umstand, dass die 5. regionalisierte Bevölkerungsprognose, auf deren Basis die Planung stattfand, mit der Realität nicht übereinstimmte. Darauf hat nicht nur das Aktionsbündnis hingewiesen. GEW widerlegte den Personalentwicklungsplan, die Standortgemeinden wiesen auf ihre aktuellen Geburtenzahlen hin, die Kita-Träger schlugen Alarm! Aber NJET. Schulplanung hatte auf diesem Zahlenmaterial zu erfolgen! Mit einer fragwürdigen Bevölkerungsprognose und völlig unrealistischen Mindestschülerzahlen für Schulbau-Förderprojekte (mindestens 100 Schüler im Jahre 2035), wurden im ländlichen Raum rund 50 Schulschließungen erzwungen. Die Druckmittel: “Wir schicken keine Lehrkräfte” (Bildungsministerium) ,”ihr kriegt kein Geld für Schulsanierungen” (Finanzministerium).
  • Bereits letztes Jahr in Einzelfällen, ab Schuljahr 2017/18 offiziell, sind “kleine” Klassen zusammenzulegen, gibt es Kombiklassen! Peng! Keine begleitenden Hilfen für die Lehrkräfte, einfach “macht mal, wir müssen Lehrkräfte sparen.” Erzwungen werden diese “Kombi-Klassen”, indem die schülerbezogene Lehrerstundenzuweisung für eine Schule mit 65 Kindern um 6,5 Wochenstunden abgesenkt wird. Die Schulleitung hat nun die Möglichkeit, in Jahrgangsklassen zu unterrichten, womit lediglich die Grundversorgung sichergestellt wird und die Arbeitsgruppen flach fallen, oder aber auf Kombiklassen umzustellen, womit Klassengrößen von 30 und mehr Kindern entstehen können. Der Klassenteiler 28 wurde aufgehoben!  Eine Maßnahme, welche sämtlichen pädagogischen und methodischen Grundsätze von Kombi-Unterricht verhöhnt, ganz abgesehen von den nicht vorhandenen räumlichen Voraussetzungen an Unterricht in Kombi-Klassen.


Freie Schulträger sehen ihre Chance


Gruppenraum Grundschule Kamern
In diesem bildungspolitischen Chaos im ländlichen Raum trauen sich Private, Anträge auf Eröffnung einer Freien Grundschule zu stellen. Respekt! Sie erkennen, dass sich in diesen “entschulten” Gebäuden und Regionen kindgerechte Bildung vom Besten, Unterricht nach den Erfordernissen und Erkenntnissen des Jahres 2017 und/oder Schule von morgen organisieren und gestalten lassen. Sie füllen damit ein Vakuum, welches das Land hinterlassen hat, leisten einen Beitrag zu kindgerechter Bildung, zum Erhalt kommunaler Infrastruktur und somit zur Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raumes. Alles auf eigenes Risiko!

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