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Diesterweg-Schule: Wahlk(r)ampf in Halberstadt


In den dreieinhalb Jahren Schulkampf als Mitbegründer des Aktionsbündnisses Grundschulen vor Ort habe ich schon manchen Kampf um Schulstandorte, manches Streitgespräch um Verordnungen und Erlasse, viele Tränen wegen trotzdem stattgefundener Schulschließungen miterlebt. In Halberstadt findet seit Jahren eine derartige Auseinandersetzung statt. Am kommenden Sonntag steht nun eine Abstimmung zum Bürgerbegehren des Fördervereins Diesterwegschule an.
Worum geht es? Die Stadt Halberstadt soll mit diesem Begehren zurück auf den Weg "6 Schulstandorte für Halberstadt" geleitet werden.   Die Hürden sind hoch: 25% der Wahlberechtigten Halberstadts müssen mit JA stimmen. Eine Herkules-Aufgabe für die Befürworter von 6 Schulstandorten in Halberstadt.

Wahlkampf

Es ist klar, da gibt es Gegner und Befürworter. Auf der einen Seite als engagiertester Akteur der Förderverein Diesterwegschule, welcher seit über 10 Jahren gemeinsam mit den Siedlern  um Sanierung und langfristigen Erhalt der sanierungsbedürftigen Quartierschule aus den 50-er Jahren kämpft und immer wieder vertröstet wurde. Oberbürgermeister, die Linke, SPD unterstützen dieses Anliegen öffentlich. Gegen dieses Begehren hat sich die CDU/FDP Stadtratsfraktion ausgesprochen, wobei die FDP betont, ihre Fraktion sei gespalten. 
Wie bei wichtigen Abstimmungen üblich, wurde auch frühzeitig eine Podiumsdiskussion auf den 11.9.2016 im Rathaussaal terminiert, zu welchem Befürworter und Gegner zugesagt hatten. So weit alles im grünen Bereich...

Politischer Stil

...wären da nicht noch zwei seltsame Veranstaltungen als "Vorläufer":
  • 24.08.2016 Einladung der CDU an Fördervereine, Elternräte und verschiedene Lehrkräfte der Halberstädter Grundschulen zu einer nicht öffentlichen Veranstaltung. Nicht eingeladen waren Elternvertreter und Förderverein der Diesterwegschule. Der Fraktionsvorsitzende Szarata informiert über die finanzielle Lage, das Investitionsprogramm in Sachen Kindereinrichtungen und die Probleme, welche bei einem Weiterbestand der Diesterwegschule auch auf die anderen Schulen zukommen würden/könnten. Zum Schluss eine klare Aufforderung, diese CDU-Position auch im Gespräch mit Eltern und Kollegen darzulegen. Ein mehr als zu hinterfragender Vorgang, angefangen von der Adressbeschaffung für die Einladung bis hin zur Tatsache, dass es Lehrkräfte offenbar für nötig fanden, an Elternabenden tatsächlich diese Nein-Position darzulegen, Fördervereine aktiv gegen andere Schulen zu schießen beginnen. Anlass und Auswirkung sind unverkennbar. (War schon Thema hier
  • 05.09.2016: Öffentliche Veranstaltung der CDU mit Teilnahme des Finanzministers. Anwesend um die 60 Personen. Präsentation eines kumulativ wachsenden Schuldenberges, welcher 2019 in die Zahlungsunfähigkeit führt, vorläufige Haushaltsführung und verantwortungsvolles Schuldenmanagement für unsere Kinder und Enkel, ließen es nicht zu, in die Diesterwegschule weiter Geld zu investieren, da sonst andere wichtige Probleme zurückgestellt werden müssten. 
Die Rezeptur dieser Veranstaltungen:

1. Man beschwöre durch wildes Zahlendurcheinander den praktisch bevorstehenden Zahlungskollaps Halberstadts, der suggestiv nur durch eine Schließung der Diesterwegschule verhindert werden kann. Man präsentiere keinerlei Alternativen,  obwohl man als EU-Sachbearbeiter der Investitionsbank in den Jahren 2014-16  über sämtliche Förderkulissen genauestens informiert ist. Nichts davon. 

2. Man definiere Zielgruppen, welche dem eigenen Anliegen (Schließung der Diesterwegschule) zum Durchbruch verhelfen könnten. Was eignet sich dafür besser, als die anderen Schulstandorte und deren Eltern? Ihnen muss man nun erklären, was eigentlich alles für sie vorgesehen wäre, aber natürlich nicht kommen könnte, wenn die Diesterwegschule weiterhin bestehen wird. Natürlich ist es da gut, nicht zu erwähnen, dass die Planungsgelder für die Förderanträge von 2 Grundschulen, drei Kitas  in Halberstadt bereits bewilligt sind und selbst für den Eigenanteil der Stadt Finanzhilfen der Investitionsbank angeboten werden. 

3. Man braucht "Betroffene" (CDU), welche bezeugen, dass Schulschließungen halb so schlimm sind, das Leben weiter geht und eine solche Schließung durch "auslaufende Beschulung" eh abgemindert wird. Dass im erwähnten Ortsteil Langenstein innert kürzester Zeit ein freier Schulträger eine Betriebsbewilligung erhielt und damit das einige Jahre zuvor mit öffentlichen Geldern auf Vordermann gebrachte Gebäude wieder mit Leben erfüllen konnte, ist nur eine Randnotiz. Alles ist gut. 

Fragen:
  • Weshalb wird diese prachtvolle Power-Point-Präsentation der ersten Veranstaltung nicht hochgeladen und damit aktenkundig? 
  • Findet es die CDU statthaft, Meinungsmultiplikatoren zum Thema Schulen selektiv in die Pflicht zu nehmen, als Wahlkampfhelfer zu instrumentalisieren und mit ganz heiklen Aussagen gezielt einen Keil zwischen die Schulen und Eltern von schulpflichtigen Kindern Halberstadts zu treiben?
  • Wie kommt es, dass Argumente und Zahlen der CDU, welche an zwei Veranstaltungen  als falsch und in der Argumentationskette nicht haltbar widerlegt wurden, wie eine tibetanische Gebetsmühle auch 5 Tage vor der Wahl herunter gerasselt werden? Einfach eine Machtdemonstration?
  • Bis heute ist nicht klar, was die wirklichen Beweggründe der CDU-Halberstadt sind, eine derartige Kampagne gegen eine klar bestandsfähige Schule zu fahren, welche mit einem tollen Nutzungskonzept (Schule-Kita-Hort) wirtschaftlich optimal genutzt werden soll. Die finanzpolitische Argumentation ist widerlegt. Worum geht es also in Wirklichkeit?

Politische Kultur

Irgendwann im Spätsommer 2015 bewilligte die damalige Regierungskoalition Sachsen-Anhalts über 3 Mio Euro für eine "Sensibilisierungskampagne gegen Politikverdruss", worauf dann ab Januar die "Triff die-Wahl durchs Land (und in Unkenntnis der geografischen Gegebenheiten darüber hinaus nach Sachsen und Brandenburg) tingelte und professionelle und gut bezahlte Moderatorenteams in den Landkreisen  Wahlforen durchmoderierten. So nebenbei hatte dann noch jeder Landtagskandidat der vier Landtagsparteien einen kurzen Auftritt...als Zuhörer und als Sprecher. Hauptthema: Engagiere dich, nimm deine Rechte wahr, nutze die Instrumente, welche dir die Demokratie gibt. Kritiker bezeichneten diese Aktion übrigens als verdeckte Wahlkampf-Finanzierung der Landtagsparteien.

Ja - dann betrachte ich das Ergebnis. Da ist also der Förderverein der Diesterwegschule, welcher seit 10 Jahren strampelt, es sogar fertig bringt, erstmals in Halberstadt ein Bürgerbegehren auf die Beine zu stellen und eine offene Kampagne fährt. Er macht genau das, was die Landeszentrale für politische Bildung propagiert Und ich stelle fest, dass das nicht gewollt ist, politisch untergraben und bewusst gekeilt wird. Gar nix mit demokratischer Auseinandersetzung. .

Was dieses Land braucht, sind Abgeordnete, welche mit all ihrer Kraft im Landtag darauf hinarbeiten,  gravierende und schon längst bekannte kapitale Planungsfehler der letzten 2 Legislaturperioden endlich zu korrigieren. Dafür beziehen sie ihren Lohn.
Stattdessen erleben wir  Abgeordnete, welche ihre oberste Handlungsmaxime weiterhin darin sehen, sich vor Ort  als Vollstrecker dieser  realitätsfremden Vorgaben des Landes  zu profilieren. Das ist bedauerlich.

Gehen Sie wählen, das ist die passende Antwort

Versinken in Lethargie oder Resignation? Damit würde obige Strategie aufgehen.. Bürgerinnen und Bürger Halberstadts haben am Sonntag die Möglichkeit, an der Urne die passende Antwort zu geben. Der Förderverein Diesterwegschule hat dies ermöglicht.  

Sanierung oder Schließung der Diesterwegschule ist ein Bürgerentscheid darüber, ob die Stadt Halberstadt künftig 5 oder 6 Schulstandorte haben soll. Mit dem JA zur Diesterwegschule stimmen Sie für 6 Standorte. Es werden also auch keine anderen Schulen an Stelle der Diesterwegschule geschlossen.

Ob die Stadt Halberstadt 2019 zahlungsunfähig wird oder nicht , hat nichts, aber gar nichts mit der gegenwärtigen Entscheidung um die Diesterwegschule zu tun. Genau so wenig besteht die Gefahr, dass andere Schulen geschlossen werden.


Am  Freitag geht es dann um die Zahlenspielereien, mit denen Angst geschürt wird.

Der Titel steht schon: Drohkulisse Finanz-Kollaps - die Nullnummer.



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