Es ist uns sehr wichtig, die Bedeutung dieses zweiten Kreises in Linie zu erzählen, auch zu würdigen. Alle sachlichen und fachlichen Ergänzungen, die politische Analyse, folgen später. Denn: Dieser zweite Kreis war ab Sommer 2013 bis Mitte 2015 das Rückgrat unseres Aktionsbündnisses. Und: man muss genau hinschauen, was sich daraus entwickelt hat. Basisdemokratie vom Besten.
Aus Einzelkämpfern...
Die erste Petition mit einer Laufzeit bis Ende September machte klar: Es gibt schon viele Menschen,welche sich für Schule engagieren. Als Eltern, als Eltern- oder Ortschaftsräte, als Ortsbürgermeister, Bürgermeister in Verbandsgemeinden. Sie standen schon mitten drin im Schließungsgemetzel, denn ihre Standorte waren meist abseits gelegene Dorfschulen, welche mit Ihren Kinderzahlen bereits unter der Mindestschülerzahl 60 lagen. Schulen, welche in der Gemeindegebietsreform noch als klar unantastbar bezeichnet wurden, waren zu schließen, die Empörung natürlich groß.
All diese Menschen sprangen auf die erste Petition auf, sammelten Unterschriften in ihren Dörfern und verloren dieses Ziel trotz Überschwemmungssommer nicht aus den Augen. Jeder für sich, in seinem Dorf.
Die öffentliche Anhörung am 04.01.2014 machte schnell klar, da war kein konstruktiver Dialog zu erwarten, im Gegenteil: Der Staatssekretär bügelte diesen Vorstoß bereits unmittelbar nach der Anhörung medial weg. Die Entrüstung bei den Unterzeichnern riesig, auch Stimmen "bringt ja doch nichts, sieht man wieder"...
...wird eine Bewegung
Angesichts der nahenden Kommunalwahlen und der immer heftigeren Streite um Schulschließungen in den Kommunen (Schulentwicklungspläne mussten auf Kreisebene beschlossen werden), entschieden wir uns zum zweiten, heftigeren Schritt. Demonstrationen, zunehmend, bis zu den Kommunalwahlen. Nicht pöbeln, sondern optisch auf etwas aufmerksam machen, auf unsere Forderungen verweisend. Sachsen-Anhalt wird bunt war der Aufhänger und drangehängt eine zweite Petition. Erste zaghafte Versuche, erste Bilder und dann sprang das Feuer über. Die meisten bedrohten Standorte starteten Aktionen, konnten ihre Situation auch medial darstellen, das Thema Schulen wurde im ländlichen Raum DAS Thema in den Kommunalwahlen 2014 (worauf noch einzugehen ist!) Dass der Landtag mit den Stimmen der Regierungskoalition einen Oppositionsantrag auf ein Schulschließungsmoratorium ablehnte, war da nur noch Öl ins Feuer.
In dieser Phase haben hunderte Menschen Verantwortung übernommen, sich gewaltig engagiert, einige so sehr, dass sie daran persönlich zu zerbrechen drohten, auch das muss gesagt sein. Medien berichten, dass sich in Sachsen-Anhalt erstmals nach der Wende eine landesweite Protestbewegung ausbreitet. Die Landespolitiker und Ministerien reagieren zunehmend gereizter. Dieser Hype hatte 3 Monate Bestand und kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Dass politisch ein derartiger Druck erzeugt werden konnte, ist ausschließlich diesem 2. Kreis zu verdanken. Engagierte Bürger, welche ihrerseits wieder Betroffene motivieren konnten, sich für unser aller Anliegen zu engagieren. Ihnen sind wir zu größtem Dank verpflichtet! Ohne dieses lokale Netzwerk hätten wir als harter Kern keine Chance gehabt, unseren Anliegen Gehör zu verschaffen.
..und politisches Bewusstsein mit Folgen
Viele dieser Akteure schlossen sich in lokalen Bürgerinitiativen zusammen, kandidierten für Ortschaftsräte, Kreistage, Gemeinderäte, begannen, sich in Elternräten zu engagieren. Sie zeigten also über die reine Aktion hinaus das, was man politisches Bewusstsein und Engagement nennt. Diese Entwicklung betrachten wir als sehr wertvoll. Sie wäre eigentlich DAS Angebot schlechthin für die Landespolitik, sich dieser engagierten Menschen anzunehmen.
Daneben stieg der Druck auf Landesebene. Die Koalition stand zum Thema Schulnetzplanung vor mehreren Zerreissproben. Im Dezember 2014 krebste die Regierung klammheimlich zurück. SEPL-VO2014 verzichtet auf die zweite Erhöhung der Mindestschülerzahlen (unterzeichnet am 24.12.2014!!) und serviert damit einen Trojaner, auf welchen wir wenige Tage nach Bekanntgabe reagiert haben.
Anmerkung:
Was also von vielen Initiativen als Erfolg gefeiert wurde, stieß bei uns sofort auf schroffe Ablehnung, wurde von Politikern und Medien als Dauerkritik, Nörgelei abgetan. Lest den oben verlinkten Trojaner-Beitrag durch, veröffentlicht am 05.01.2015. Betrachtet die heutige Situation, wenn über Schulschließungen gesprochen wird. Genau DAS, was wir damals beschrieben haben, findet heute statt! Unsere Aussagen waren und sind belastbar.
Ab Frühjahr 2015
Die geänderte SEPL-VO2014 nahm Druck von ca. 2/3 der lokalen Initiativen. Die Schließung ihrer Schulen war (vermeintlich) vom Tisch, man konnte aufatmen und sich zurücklehnen. Die andern Akteure mussten sich wieder vermehrt um unmittelbare Strategien zum Erhalt ihrer Standorte kümmern, teilweise in den Gremien, in die sie inzwischen gewählt wurden. Die Tätigkeit des harten Kerns des Bündnisses verlagert sich seither mehr in Richtung Einzelfallberatung.
Denkanstoss:
Heute, 2016, zum Thema Grundschulen landesweit mobilisieren zu wollen, wäre zum Scheitern verurteilt. Die Thematik als solche hat sich inzwischen verändert, die jeweilige Problemlage ist individuell und das Zeitfenster, in welchem Entscheidungen fallen ist diffus, selbst der Adressat.
Dazu kommt, dass landes- und bundespolitisch andere Themen dominieren, die Parteien selbst um ihre Existenzberechtigung kämpfen.
Dies als Hinweis an alle, welche so gerne am "bewährten Aktionsbündnis" festhalten möchten.
Die neu zu stellende Frage müsste also lauten: Welches kann heute, 2016 und auf Grund unserer vierjährigen Erfahrung, das neue mehrheitsfähige Thema sein, welches landesweit anzustoßen ist? Flüchtlingspolitik als mögliche Antwort ist ein no go!
Dazu Futter in den nächsten drei Beiträgen:
- Politische Abwicklung einer Petition
- Die Rolle des Landtages
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