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- Das Bundesumweltsministerium erläßt eine Verordnung, wonach in Kleingartenanlagen sämtliche Regentonnen zu entfernen und durch eine zentrales Regenwasserbecken mit einem Fassungsvermögen von 20 000 Liter Meteor-Wasser zu ersetzen sind. Innerhalb Monatsfrist stehen 50 000 Kleingärtner in Berlin vor dem Bundestag, um gegen diesen Blödsinn zu protestieren, dessen einziger Sinn darin bestehen kann, dass irgendwelche Hersteller von Großregentonnen zu einem lukrativen Zusatzgeschäft kommen. Groß ist in diesem Falle nicht besser, sondern verursacht weite Wege, schmerzende Rücken und hohe Kosten für die Kleingärtner.
- Der kreiseigene Abfallbetrieb teilt mit, das auf Grund einer Neuausrichtung der Fahrzeugflotte auf Großlaster künftig Mülltonnen nur noch an drei zentralen Orten/Ortsteil abgeholt werden. Die Bürger werden Sturm laufen, da sie ihre Müllcontainer teilweise über 500 Meter zu schieben haben. Die Effizienz der Abfallwirtschaft besteht also darin, dass die Bürger einen klaren Serviceverlust und mühseliges Containerstossen auf sich nehmen müssen.
- Um dem Versorgungsnotstand an Fachärzten entgegenzuwirken, vermitteln die Krankenkassen Patienten Termine. Da kann es passieren, dass man einen Augenarzt in 70 Kilometern Entfernung zugeteilt kriegt. Damit ist der "Notstand" für die Krankenkasse behoben. Nicht aber für den Patienten: Um von seinem Dorf an einem Tag garantiert dorthin und auch wieder zurückzukommen benötigt er eine Fahrgelegenheit, da es unsicher ist, ober er für die Rückfahrt den letzten Bus in sein Dorf noch kriegt. Von den Folgeterminen sprechen wir mal nicht. Was für die Krankenkasse "Optimierung" bedeutet, ist für die Betroffenen eine unerträgliche Mühe, welche die Frage aufwirft, ob es sich wirklich noch lohnt, am alten Wohnort weiterzuleben. Stellen wir uns vor.... Ertappt? Das ist schon Realität.
"Größer-Besser"- Lügen im ländlichen Raum.
- Verwaltungseffizienz dank größeren Kommunen (Gemeindegebietsreform). Stimmt nicht, die Effizienz ist gesunken. Verbessert hat sich hingegen für die Landesverwaltung, dass sie bedeutend weniger Ansprechpartner hat. Für den ländlichen Raum dagegen ist eine zunehmende Bürgerferne und entsprechende Interesselosigkeit zu konstatieren. Dies gilt sogar für den Kontakt der örtlichen Parteipolitiker zu ihren Landesparteien!
- Worin liegt der Sinn, sich als Mitglied des Ortschaftsrates für die Sanierung des Daches am Dorfgemeinschaftshaus einzusetzen (Kosten 15 000), festzustellen, dass das 2 Jahre nicht möglich ist. Ein Gutachten für 5000 € hält fest, dass die Kosten mit 35 000 € beziffert werden müssen. Weitere zwei Jahre später mit Beginn der Sanierung(weil nun endlich Geld da ist) wird festgestellt, dass die Schäden inzwischen bedeutend größer sind, als im Gutachten angenommen. Ein neues Gutachten und Projekt (für 11000 €) wird eingeholt, welches den Finanzbedarf mit 80 0000 € beziffert. Eine solche Auslage ist angesichts der finanziellen Lage (Haushaltskonsolidierung, nur noch "obligatorische" Aufgaben dürfen bewältigt werden) nie und nimmer aufzubringen. Ist DAS effizient? Nein, aber es ist die Regel geworden!
- "GUTE" Grundschulen brauchen eine bestimmte Größe, am besten Zweizügigkeit. Was über "Qualität" begründet wird, dient lediglich einem organisatorisch einfacheren Personaleinsatz durch das Landesschulamt.. Im Gegenzug wird der Schulweg für Grundschüler im ländlichen Raume immer länger, das Lernumfeld immer fremder. Qualität? Nein, Bequemlichkeit des Landesschulamtes, da geringerer organisatorischer Aufwand. Ähnliche Argumentation läuft derzeit mit den KITAS an.
- Was nützt mir der Aufruf , den ÖPNV zu nutzen, wenn ich als Berufstätiger gar nie in die Lage komme , dieses Verkehrsmittel wenigstens zu testen, da die letzte Fahrt nach Hause um 16 Uhr stattfindet und während der Schulferien NACH 15 Uhr gar nichts mehr geht?
- Wie macht ein Ortsbürgermeister einer interessierten Familie seinen Ort schmackhaft, wenn er weiß, dass sowohl Grundschule wie KITA im Laufe der kommenden Jahre schulplanerisch verschwinden werden? Verschweigen und damit anlügen, oder mit offenen Karten spielen? Wie wird die interessierte Familie reagieren, wenn er mit offenen Karten spielt?
- Was habe ich als Bürger einer "größer" gewordenen Einheitsgemeinde, eines Landkreises davon , wenn reihenweise Bürgerbüros wegen "Sparmaßnahmen" geschlossen werden? Für WEN ist es normal, einen Tag mit ÖPNV einsetzen zu müssen, um ersatzweise in der Kreisstadt ein Anliegen vorzutragen?
- Welches sind die Argumente eines Bäckers, Klempners, Elektrikers, Dachdeckers, um einen Interessenten für die Geschäftsübernahme des Betriebes in einem 750 Einwohner zählenden Ortsteil zu überzeugen? Ein Ortsteil mit 450 Häusern, davon 30 leer und 300 noch mit Ehepaaren oder Einzelpersonen 70+ bewohnt? Erzählt der vor dem Ruhestand stehende Betriebsinhaber auch, dass es seit einigen Jahren schwierig ist, in diesem Ort Baukredite für Umbauprojekte zu kriegen? Die Banken seien der Meinung, es handle sich um ein "strukturschwaches" Gebiet. Schon mehrfach seien Kauf-Interessenten für solche Objekte wegen fehlender Kreditzusagen abgesprungen. Das bedeutet für die im Ort ansäßigen Kleingewerbler WAS genau?
"Immer diese Schwarzmalerei! - Ihr redet Sachsen-Anhalt schlecht!"
Mit dieser Gesprächsverweigerungskeule wird immer wieder von Landespolitikern (Ministerpräsident eingeschlossen) auf derartige Kritik reagiert. Übersehen wird dabei, dass es sich um konkrete Situationsbeschreibungen aus dem ländlichen Raum handelt. Hier leben 600 000 - 800 000 Menschen und die meisten von ihnen könnten diese Liste mit weiteren Erfahrungen deutlich verlängern.
Diese Menschen haben zudem erkannt, dass allgemeine Sätze in einem Koalitionsvertrag und große Wahlversprechungen im Wahlkampf (z.B. 2011) zu Themen wie Stärkung des ländlichen Raumes, Verbesserung des ÖPNV, Stärkung des Kleingewerbes, keine weiteren Schulschließungen, Kultur für alle etc. in diesen 5 Jahren NICHT ansatzweise umgesetzt wurden. Das Gegenteil ist passiert! Der Koalitionsvertrag wurde mehrfach gebrochen! Die Wahlergebnisse 2016 sind zu einem wesentlichen Teil dieser Erkenntnis geschuldet, wie eine vertiefte, standortorientierte Wahlanalyse ergeben würde.
Was wir also brauchen, ist ein detaillierterer Fahrplan, wie denn allgemein formulierte Ziele auch erreicht werden sollen. Darüber muss JETZT von den Koalitionspartnern gestritten werden und die Ergebnisse gehören in den Koalitionsvertrag.
Konstruktive Vorschläge setzen Kenntnis der Schwachstellen voraus!
Demo gegen Schulschließung in Wippra |
In den folgenden Beiträge geben wir zu diversen heißen Themen des ländlichen Raumes konkrete Denkanstöße. Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass jede Strukturmaßnahme im ländlichen Raume Auswirkungen auf viele weitere Strukturbausteine haben kann, oft zwingend haben muss!
Dargestellt wurde dieses vernetzte Denken durch Ernst Romoser vom Aktionsbündnis Grundschulen vor Ort am Beispiel "Bedeutung von Grundschulen im ländlichen Raum" mit einer Mindmap. Wer diese überfliegt, oder sich da hineinkniet, erkennt sehr schnell:"Da geht es um viel mehr, als um ein theoretisches Sparpotential an Lehrkräften durch Schulschließungen. Was man in einem Ministerium zu sparen erhoffte, schlägt in anderen Ressorts mit Verlusten in mehrfacher Höhe zu Buche! Oder: Fällt ein Dominostein, löst das eine Kettenreaktion aus."
Alleine dazu könnte man ein Zweitagesseminar veranstalten - eine tolle Arbeit, danke Ernst!
Alle Mitstreiter im Aktionsbündnis Grundschulen vor Ort sind getragen von der Überzeugung, dass dieser ländliche Raum Potential hat. Dieses muss genutzt werden und dabei steht an erster Stelle das Thema Lebensraum für junge Familien, ideales Umfeld für frei Schaffende, tolle Region für Frührentner, Tourismus MIT der Bevölkerung des ländlichen Raumes.
Damit könnte Sachsen-Anhalt punkten. Wir brauchen aber den Erhalt (also den sofortigen Stopp des weiteren Infrastrukturabbaus!) und Ausbau bestehender Infrastrukturen. Dazu gehört ebenfalls eine Verwaltungsstruktur, welche Bürgernähe und Bürgerengagement überhaupt erst möglich macht - und diese Strukturen sind von der zukünftigen Landesregierung zu schaffen!
Das bedeutet Abkehr vom Verwaltungs-Zentralisierungsgedanken, der Sachsen-Anhalt in den vergangenen 10 Jahren immer stärker geprägt hat! Betrachtet man die Forderungen und Positionen der einzelnen Parteien eingangs der neuen Koalitions-Verhandlungen, scheint diese Einsicht mehrheitsfähig. Verbal zumindest stehen die Zeichen auf einen klaren Bruch mit der bisherigen Strategie.
Stürzen wir uns also ins Getümmel. Thema des nächsten Beitrages:
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