Am 27.5.2015 tagt der Ausschuss für Bildung und Kultur mit einer reich befrachteten Tagesordnungsliste. Daran kann man erkennen, dass NICHTS von dem, was die Regierungskoalition aus SPD/CDU derzeit "als beschlossen und nun umzusetzen" durchzuboxen versucht, auf einem Konsens aufbaut . Gerade STARKIII ist weiterhin heftig umstritten und die Falle, in der das Kultusministerium sitzt, wird im nächsten Beitrag skizziert - eine tolle Story!
Jetzt geht es um die TOP´s 11 und 12, unsere beiden Petitionen, zu welchen beraten werden soll. Ich möchte nicht in der Haut des Ausschussvorsitzenden oder der Ausschussmitglieder sitzen. Sie müssen über zwei Petitionen befinden, deren gedankliches und konzeptionelles Gerüst im Jahre 2013 liegt. DAMALS sprach man über SEPL-VO2014 als Bedrohung für den ländlichen Raum, HEUTE spricht man über STARKIII als Schließungskeule aus dem Finanzministerium. Seit 2013 wurden um die 40 Schulen geschlossen, Schulen, welche laut Petitionstext NICHT hätten geschlossen werden dürfen. Heute, 2 Jahre später wird nun also beraten.
Gute Chancen also, dass diese Petition angesichts der verstrichenen Zeit mit folgenden Argumenten für erledigt erklärt wird:
- "Wesentliche" Kritikpunkte sind bereits durch das Kultusministerium nachgebessert (Reduktion auf Mindestschülerzahl 60, einheitliche Mindestschülerzahlen für den ländlichen Raum). - Stimmt nicht! Die Problematik der perspektivischen Schulschließungen und Dauerprovisorien bleibt bleibt genau dieselbe - nur auf eine längere Zeitschiene verlagert.
- Angesichts des "fortgeschrittenen" Umsetzungs- Stadiums der nun "sehr moderaten" SEPL-VO-2014 muss der inhaltliche Vorschlag der Petition zur Ablehnung empfohlen werden. Wenn damit UNS der Vorwurf gemacht werden soll, wir hätten die Petitionen zu spät eingereicht, dann ist das eine Lüge. : Verschleppt wurde diese willentlich durch den Ausschuss für Bildung und Kultur, einvernehmlich mit Stimmenmehrheit der Koalitionspartner CDU/SPD und durch die Fachstellen des Kultusministeriums, welche offenbar ein Jahr für eine Erwiderung und Gegendarstellung benötigen zu etwas, was im Aktionsbündnis von 4 Personen innerhalb dreier Monate in ihrer Freizeit von Grund auf aufgerissen wurde: Ein Handlungskonzept mit einer gegenüberstellenden Wirtschaftlichkeitsrechnung der beiden zur Debatte stehenden Modelle!
- Durch die "Anpassung" der SEPL-VO2014 wurden wesentliche Anliegen der Petitionäre erfüllt, "wurden Schulschließungen verhindert" und ist die Petition somit als erledigt zu betrachten. Eine Lüge! An Stelle von SEPL-VO2014 tritt STARKIII als Schulschließungsinstrument und zwar mit einem doppelt so starken Schließungshebel im Vergleich zur eigentlich maßgeblichen SEPL-VO2014. Das Problem stellt sich also in viel schärferer Form, zumal ja daran während der kommenden 15 Jahre so gut wie nicht gerüttelt werden kann.
- Dieser Argumentation werden Kultus- und Finanzministerium widersprechen. Das Eine hat nichts mit dem Anderen zu tun. Niemand "muss" StarkIII in Anspruch nehmen. FALSCH! Wenn Kommunen derart finanziell geknebelt werden, dass sie notwendige und schon längst überfällige Sanierungen nur noch durch Inanspruchnahme von STARKIII-Geldern realisieren können, dann kann man von Zwang sprechen. Wenn dann diese Ministerien gleichzeitig die Bedingungen für eine Förderung so rigoros ansetzen (Bedarfsmeldungen mit Demografiecheck!) , dass Kommunen auch bestandsfähige Schulorte zu schließen beginnen, dann darf auch das Wort Schulschließungserpressung verwendet werden.
- Schulqualität, Zusatzangebote, Lehrermangel und Unterrichtsversorgung im Krankheitsfalle sprechen klar gegen den weiteren Erhalt kleiner Schulen. Falsch ! - und schon längst an konkreten Praxis-Beispielen widerlegt. Diese Argumentation besagt einzig und alleine, dass Kultusministerium und Landesschulamt nicht in der Lage oder nicht bereit sind, entsprechende Änderungen in der Personaleinsatzplanung und -organisation vorzunehmen. Bei einer Unterrichtsversorgung von knapp über 100% spielt es absolut keine Rolle, ob eine Lehrkraft im städtischen oder ländlichen Bereich erkrankt. Es ist schlicht und ergreifend kein Eratz da! Darüber können wir uns wöchentlich in den Medien informieren...
- Sachsen-Anhalt hat im Ländervergleich die meisten kleinen Schulen, den tiefsten Lehrer-Schüler-Schlüssel, die höchsten Schülerkosten usw. usw. Sollte diese Argumentationskette erneut aufgefahren werden, dann werde ich persönlich prüfen lassen, ob hiermit der Tatbestand der bewussten Irreführung und Falschinformation der Abgeordneten durch das Kultusministerium gegeben ist. Falls nämlich diese Begründungen erneut auftauchen, befindet sich das Kultusministerium unverändert auf dem Argumentationsstand Dezember 2012, welcher von uns rein statistisch bereits in der ersten Petition und der darauf folgenden Anhörung im Januar 2014 dokumentiert widerlegt wurde! Somit wäre dann belegt, dass tatsächlich NIEMAND aus dem Kultusministerium sich ernsthaft an die Prüfung unserer Petition gemacht hat... Hier sind unsere Gegenbeweise aus dem Jahre 2013, statistisch unterlegt und mit Quellenangabe:
Zum weiteren Ablauf
Laut Auskünften aus dem Petitionsausschuss wird es so sein, dass nach den Beratungen des Ausschusses für Bildung und Kultur und einer möglichen Empfehlung der Petitionsausschuss sich beim Aktionsbündnis mit einer Art Zwischenbericht meldet, zu welchem wir wiederum Stellung nehmen können.
Anschließend liegt das Schicksal wieder in den Händen des Petitionsausschusses. Er wird eine Empfehlung an den Landtag zu beschließen haben - oder eine Zusatzanhörung?
Jetzt sind aussagekräftige Antworten auf unsere Petitionsbegründung gefragt!
Aktionsbündnis Grundschulen vor Ort und ich als Erstunterzeichner erwarten jetzt konkrete Antworten. Diese haben sich an der Begründung unserer Petition zu orientieren, denn bisher wurde auf diese dort aufgegriffene Thematik inhaltlich nur punktuell, aber nie grundsätzlich reagiert. Nach zwei Jahren Warten müsste man nun erwarten können, dass dazu belastbare Aussagen kommen werden. Unsere Begründung von 2013 (zu welcher auch ein beachtlicher Datensatz von Statistiken, Berechnungen, Praxismodellen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen übergeben wurde!) sei hier nochmals verlinkt. Wie gesagt, sie stammt vom Mai 2013 und führte inhaltlich schon damals zu einem Thema, welches uns heute mehr denn je beschäftigen sollte:
Erweiterter Kontext - Abwicklung des ländlichen Raumes
Es war ein Beitrag vom 18.04.2014 mit welchem der Begriff "Abwicklung des ländlichen Raumes" erstmals klar begründet abgeleitet wurde. Von Landespolitikern kriegten wir Hiebe und den Vorwurf der Panikmache. Lokalpolitiker konnten damit nicht viel anfangen und von Seiten der Presse wurden wir angefragt, ob das nun nicht eher im Bereiche "Verschwörungstheorie" anzusiedeln sei.
Damals haben wir geantwortet, dass sich auf verschiedenen Planungsschienen, nämlich Gemeindegebietsreform 2010 (mit Entmündigung der Ortsteile); Neues Raumordnungskonzept (mit massiver Reduktion der Grundzentren); Unterfinanzierung der Kommunen und enorm zentralistsicher Finanzierungsstruktur, Förderpraxis des Wirtschafts- und Finanzministeriums und Entwicklungen im Öffentlichen Verkehr überall dieselben Trends nachweisen lassen: Schaffung von so genannten "Leuchttürmen" zum Preise der "Entlassung in die Eigenverantwortlichkeit" hunderter von Ortsteilen. Abwicklung des ländlichen Raumes - ohne Zweifel! Grundschulschließungen seien der Schlüssel in diesem Konzept, denn wo keine ortsnahe Grundschule- da kein Familiennach- oder -zuzug, also hochproblematische Zukunfstperspektive. Darauf haben wir immer wieder hingewiesen.
Heute können wir diesem Gedankengang beinahe wöchentlich in den Medien folgen, wenn in Einheits- und Verwaltungsgemeinden sich die lokalen Politiker genau dieser Argumente bedienen. Sie erkennen inzwischen, dass ihr Gestaltungsraum perspektivisch immer enger wird und ihnen mittelfristig nichts Anderes übrig bleiben wird, als in ihrem Verwaltungsgebiet, bestehend aus 8 oder 10 Ortseilen, sich auf zwei oder drei Orte zu beschränken und den Rest sich selbst zu überlassen. Politisch ist das Thema also in den Kommunen angekommen. Auch in den Ortsteilen - auch bei den Betroffenen, den Bürgern?
Wievielen von uns ist dieser Zusammenhang bewusst und falls ja: Reicht es, angesichts der Historie unserer Petitionen der vergangenen 2 Jahre, sich weiterhin auf das Thema Grundschulen zu fokussieren (zu dem in diesem Blog eigentlich alles geschrieben ist, was es dazu argumentativ zu sagen gibt)? Wenn nicht, ist engagiertes politisches Handeln erforderlich? Was bedeutet das konkret? Nicht punktuell, sondern grundsätzlich?
Daraus ergibt sich ein ganzes Bündel von Fragen, welche ich zum jetzigen Zeitpunkt weder stellen, noch zu beantworten versuchen möchte. Dazu solltet IHR euch selbst zuerst mal Gedanken machen.
Walter Helbling
Erstunterzeichner der Petition.
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