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Petitionsausschuss: In Warteschlange - Stand der Argumentation

Am Freitag, 28.03.2015 berichtete der Petitionsausschuss dem Landtag über seine Arbeit. Der Ausschuss-Vorsitzende , Herr Mewes, hielt eine interessante, vielsagende Rede. Darin machte er auch die Parlamentarier auf die wichtige Funktion des Petitionsausschusses als Bindeglied zwischen Landespolitik und Bevölkerung aufmerksam. Ja, so sollte es sein. 

Demokratische Grundwerte müssen nicht nur von Bürgern geschützt werden. Auch Politiker haben diesbezüglich eine Verantwortung. Beispielsweise im Umgang mit Bürgerrechten wie  dem Petitionsrecht. 

In seiner 8-minütigen Rede tauchte immer wieder das Thema Grundschulen auf, auch mit einem Seitenhieb auf den Ausschuss Bildung und Kultur, auf dessen Zuarbeit der Petitionsausschuss seit mehr als einem Jahr wartet. 

Interessant ist der schriftlich vorgelegte Bericht des Petitionsausschusses. Hier wird auf den Seiten 31-34 die Problematik Grundschulschließungen beschrieben. Dabei ist einigermaßen erstaunlich, dass nicht die konkreten Vorschläge des Aktionsbündnisses für eine Neuordnung des Schulnetzes aufgezählt werden, sondern lediglich die Frage der jahrgangsdurchmischten Beschulung als organisatorisch nicht möglich und somit für die Schulqualität nachteilig beschrieben werden. Es handelt sich somit um den Stand der Regierungsargumentation aus dem Frühjahr 2014.

Die Realität ist jedoch eine völlig Andere:


  • Unser vorgelegtes Beschulungskonzept wird vom Freistaat Sachsen (nach einem Schulschließungsmoratorium 2013/14) mit den  entsprechenden Gesetzesänderungen 1:1 umgesetzt!  Was also  in Sachsen innerhalb eines Jahres möglich ist, wird in Sachsen-Anhalt weiterhin als undurchführbar und bezüglich Schulqualität minderwertig bezeichnet. Das Thema Schulschließungen und Stabilisierung/Entwicklung des ländlichen Raumes bleibt in Sachsen-Anhalt ein Dauerthema, während es in Sachsen vom Tisch ist. Genau so in Bayern, welches inzwischen insbesondere junge Familien mit dem Argument Schule vor Ort bewirbt.
  • Ein wichtiger Punkt unserer Anhörung im Januar 2014 war, dass sich die Mindestschülerzahlen 60/80 perspektivisch im ländlichen Raum NICHT würden halten lassen. Das Resultat kennen wir: Korrektur der SEPL-VO2014 im Dezember 2014, Mindestschülerzahl 80 ab 2017/18 im ländlichen Raum ersatzlos gestrichen.
  • Genau so verhält es sich mit der Wirtschaftlichkeit von SEPL.-VO2014: Wir vertreten den Standpunkt, dass die so genannten Sparziele der Personalentwicklungsplanung (und darum geht es ja bei dieser Schulschließerei) mit dem Modell jahrgangsdurchmischtem Unterricht OHNE Schließung von Schulen genau so erreicht werden können. Den Einsatz der Fachlehrer kann man über Schulverbünde organisieren. Heute sitzt dem Kultusministerium der Landesrechnungshof im Nacken, welcher genau diese vermeintliche Wirtschaftlichkeit der SEPL-VO2014 hinterfragt und bezüglich der Art und Weise, wie diese Verordnung erlassen wurde, große Fragezeichen setzt. Würde der Landesrechnungshof die Folgekosten der Schülerbefördung in die Betrachtungen einbeziehen, wäre die Bilanz noch verheerender!.Wir lagen und liegen  also richtig mit unserer Argumentation. Leider nützt das den 30 Schulstandorten, welche schon geschlossen wurden und den mindestens 10 Standorten, welche dieses Jahr dicht gemacht werden, nichts. 
  • Wir liegen genau so richtig mit unserer Kritik an STARKIII. Dieses Sanierungs- und Wirtschaftsförderungsprogramm lässt sich im ländlichen Raum unter den Bedingungen, wie sie in der Bedarfsmeldung gesetzt wurden, nie und nimmer bis 2030 halten. Wir gehen davon aus, dass auch hier die Rahmenbedingungen verändert werden, nicht nur was den Demografie-Check betrifft. Es wird auch der Sinn der sogenannten Passivhausstandards insbesondere für Schulgebäude nicht zu halten sein, da Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis stehen. Wir werden es erleben, dass die überhastet verlangte Bedarfsmeldung vom Sommer 2014 mit teuren energetischen Gutachten für die Katze war und nur Bruchstücke davon für die weitere Planung relevant sein werden.

Politisches Aussitzen einer in Petitionsform vorgetragenen Alternative

Der Umgang der Landesregierung und der Fachausschüsse mit dieser Petition und dem Petitionsausschuss ist exakt das Gegenteil von dem, was  der Vorsitzende des Petitionsausschusses in seiner Rede dargelegt hat. Bindeglied, Visitenkarte des Parlamentes. Selbst der Petitionsausschuss kriegt zu spüren, dass er in so bedeutenden Themen schlicht und ergreifend auf die Wartebank geschoben wird. Statt Bindeglied Einbahnstraße, statt Visitenkarte politische Zwängerei wider besseres Wissen.

Es wird gewurstelt, gekleistert, sicher wieder ein toller Wahlkampf 2016 mit dem Thema Schule angezettelt, ohne dass an der brüchigen und längst überholten SEPL-VO2014 gerüttelt wird. Mit jedem Notnagel wird die Situation noch schlimmer, was die verantwortlichen Politiker schon längst wissen.

Eines Tages wird dann der Petitionsausschuss eine Empfehlung kriegen, in welchem der Ausschuss für Bildung und Kultur "Erledigung der Petition" beantragen wird, da "wesentliche Forderungen" durch die Landesregierung "bereits erfüllt" seien... Falsch! Gar nichts ist erfüllt!

Schlüsselthema für Strukturabbau im ländlichen Raum

Jahrgangsklassen als einzige zulässige Grundschulstruktur, Mindestschülerzahlen zur Bildung von Anfangsklassen sind im ländlichen Raum einzig und alleine Schließungsschikanen und haben mit Schulqualität überhaupt nichts zu tun. Hiermit werden Dauerprovisorien, Ungewissheit und damit fehlende Zukunftsperspektiven für die Schulstandorte zementiert. Sachsen-Anhalt beginnt sich mit dieser Position bundesweit zu isolieren!

In Wirklichkeit fällt das Kind in den Brunnen, wird der ländlicher Raum weiter geschwächt und verliert Sachsen-Anhalt im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern an Boden im Bemühen um Zuzug. Denn, welche Familie zieht in ein Bundesland, in welchem der Strukturabbau im ländlichen Raum so offensichtlich ist, wie hier? 

Kommentare

  1. Hallo Walter,

    danke für deine aktuellen Informationen zu dem nun schon seit Monaten stillstehenden Stand der Petitionen.
    Die Aussage ... "die Frage der jahrgangsdurchmischten Beschulung als organisatorisch nicht möglich und somit für die Schulqualität nachteilig beschrieben werden" ... kann ich nicht verstehen. Bei uns an der GS in Westerhausen wurde vor 4 Jahren die jahrgangsdurchmischte Beschulung erst als "Neues Konzept" eingeführt, nachdem es an anderen Schulen schon wieder abgeschafft wurde. Angeblich MUSS jahrgangsübergreifender Unterricht gehalten werden. Es ist nur "Auslegungssache" der Schulleitung ob wirklich täglich Hauptfächer z. B. Ma+Deu+Sachk. in gemischter Lerngruppe (1.+2. Klasse) oder nur Nebenfächer wie Sport / Gestalten, Bei uns gibt es statt getrennter 1. + 2. Klasse 3 Lerngruppen zu je ca. 12 Schülern. Wir sind aber scheinbar im Altkreis QLB die einzige GS die das so "extrem" auslegt. Es gibt 2 Phasen - Vermittlung also neuer Stoff wird als Klasse (1 Jahrgang) gegeben Lernphase dann in der Lerngruppe gemischt durchgeführt.

    Wie passt das zu den Aussagen von Landesregierung / Petitionsausschuss? Es gibt die jahrgangsdurchmischte Beschulung schon seit Jahren in der Praxis jetzt muss nur die Schülerzahl an das Konzept angepasst werden und somit kleinere Schülerzahlen an Dorfschulen zu ermöglichen. Also Lerngruppe 1.+2. Klasse und 3.+4. Klasse.

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