Entschulung des ländlichen Raumes. |
In
einem Beitrag von mdr-info äußert sich Staatssekretär Hofmann vom
Kultusministerium zum Thema altersdurchmischte Beschulung. Das
Aktionsbündnis Grundschulen vor Ort protestiert gegen die Art
und Weise, wie hier von höchster Stelle Halbwahrheiten in Umlauf
gesetzt werden und widerspricht den gemachten Aussagen:
Diskutiert
werden die Überlegungen des Freistaates Sachsen, wonach künftig
altersdurchmischter Unterricht (also
Zusammenlegung von verschiedenen Jahrgängen in einer Klasse)
möglich sein sollen. Damit sollen Grundschulen im ländlichen Raume
gehalten werden. Flankierend dazu ist nun
auch ein Leitfaden für Lehrkräfte zum altersdurchmischten
Unterricht zusammengestellt worden. MDR-Sachsen-Anhalt
hat dazu Stellungnahmen aus dem Kultusministerium und den im
Landtag vertretenen Parteien eingeholt und da ist Folgendes zu lesen:
Dass
Schüler der 1. und 2. oder der 3. und 4. Klasse gemeinsam lernen,
das ist in Sachsen-Anhalt schon längst üblich. Jan Hofmann,
Staatssekretär im SPD-geführten Kultusministerium, beschreibt den
Ist-Zustand: "Wir sind da gut unterwegs. Gemeinsam mit Berlin
haben wir einen Spitzenwert in Deutschland: In etwa 60 Prozent
unserer Schulen wird in unterschiedlicher Weise bereits
jahrgangsübergreifend unterrichtet."
Dieser
Darstellung ist entschieden zu widersprechen, denn eben dieser
konsequente altersdurchmischte Unterricht ist in Sachsen-Anhalt die
absolute Ausnahme! Er findet teilweise in der Eingangsstufe 1/2
statt, wird dann abgelöst von Jahrgangsklassen in den Stufen 3 und
4.
Selbst
die Durchmischung der Eingangsstufe ist
nicht konsequent möglich, da der Erlass zur Bildung von
Anfangsklassen mindestens 15 Kinder, ab 2017 20 Kinder vorschreibt.
Alleine
dieser Erlass ist der größte Unfug für
Schulen im ländlichen Raum, da nicht
umsetzbar. Eine Schule mit 80-90 Kindern ist NICHT in der Lage, Jahr
für Jahr 20 Einschüler zu „produzieren“, stürzt damit dauernd
in Ausnahme-Situationen und wird als Standort für Familien
problematisch... Folge ist Verweigerung der Bildung von
Anfangsklassen und später Schulschließung wegen Nichterreichen der
Mindestschülerzahlen.
Kontrast:
Was passiert eigentlich mit der zweizügigen Grundschule, welche
Anfangsklassen mit 17/18 Kindern bildet? Dazu verliert Herr Hofmann
kein Wort! Ungleichbehandlung zwischen
Stadt und Land!
Nach
der allgemeinen Aussage im ersten Abschnitt, kommt dann die
Relativierung der absoluten Aussage:
Das
bedeutet nicht, dass überall ganze Klassen zusammengelegt sind. Zum
Teil findet der Unterricht nur in einzelnen Fächern oder bei
bestimmten Aufgaben in größeren Lerngruppen statt. Die Gruppen
werden nicht nach dem Alter, sondern nach der Fähigkeit gebildet.
Es
ist fachlich nicht zu akzeptieren, dass zum Thema altersdurchmischte
Klassenbildung so ein Beispiel angeführt wird. Hier
handelt es sich um Themen- oder Arbeitsgruppen, welche mit ca. 4
Wochenstunden angesetzt sind. Ansonsten findet klassischer
Jahrgangsunterricht statt. DAS ist noch längst kein
altersdurchmischter Unterricht! Wie
viele Schulen gibt es in Sachsen-Anhalt, an welchen 3. und 4. Klasse
von einer Stammlehrkraft gemeinsam unterrichtet werden? Wir hoffen,
dass dies z.B. durch eine Kleine Anfrage bald deutlich wird.
Dabei
gehe es um individuellen, guten Unterricht – und nicht darum,
Schulen zu organisieren. Aus diesem Grund brauche es eine bestimmte
Anzahl von Schülern, erklärt Staatssekretär Hofmann: "Weil
wir natürlich gerade die unterschiedlichen Lerngruppen
zusammenstellen wollen. Und eine sehr kleine Schule mit sehr wenigen
Schülern, die hat nicht so wahnsinnig viele
Variationsmöglichkeiten."
Das
heißt: Diese 2-4 Wochenstunden werden also als Vorwand genommen,
„guten Unterricht“ an notwendige Mindestschülerzahlen von 80,
noch besser 160 zu koppeln. Auch das ist eine leere Behauptung und
schon längst durch die Praxis widerlegt. Es
geht nicht um das Wohl der Schüler,
sondern um eine möglichst einfache Organisation des
Personaleinsatzes. DAS
ist die Kernaussage.
Als
Folge davon werden Zentren gebildet, Schüler reisen und die
Schuleinzugskreise werden von Jahr zu Jahr größer.
Mehr
als fragwürdig ist auch diese Aussage:
Eine
Blaupause seien Sachsens Pläne auch deshalb nicht, weil es dort mehr
Schüler pro Schule gibt. In Sachsen-Anhalt gebe es rund 40
Kleinstschulen, die auch zusammengelegte Klassen nicht retten würden.
Wann
ist endlich Schluss mit dieser Körnchenpicker-Argumentation? Sachsen
prüft und plant ein Schulnetz mit altersdurchmischtem Unterricht und
zwar ganz klar auf der Grundlage der Zusammenlegung von
Jahrgangsklassen! DAS ist das Thema. Falls sich das Kultusministerium
ernsthaft mit Schulgrößen auseinandersetzen will, dann bitte nach
Bayern schauen: Mindestgröße 26 Kinder – pro Schule!! Ist das
gegeben, so wird die Schule (auf Wunsch der Eltern!) erhalten.
Das
Kultusministerium in Sachsen-Anhalt hingegen beharrt wie bisher auf
Mindestschülerzahlen zur Bildung von Anfangsklassen von 15/20, auf
Mindestschülerzahlen für Grundschulen 60/80, hält fest am
Jahrgangsklassen-Konzept und koppelt das alles an das Förderprojekt
STARKIII, welches seinerseits (bis jetzt) 100 Schüler bis zum Jahre
2029 fordert, damit Grundschulen überhaupt an Fördermittel kommen.
Damit sind wir bei der zweizügigen
Grundschule, welche natürlich im
ländlichen Raum reine Utopie ist. Nicht machbar!
Damit
wird sichtbar, wie weit Gesagtes im obigen Beitrag und die Realität
auseinander klaffen.
Aktionsbündnis
Grundschulen vor Ort Sachsen-Anhalt
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