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Die große SEPL-Lotterie: Normal besiedelt – dünn besiedelt?

In der SEPL VO 2014 sind verschiedene Regionen als dünn besiedelt ausgewiesen. Dort gelten reduzierte Mindestschülerzahlen: 52 Kinder ab 2014/15, 60 Kinder ab 2017/18. Die Art und Weise, wie diese Regionen definiert wurden, wirft einige Fragen auf.

Beginnen wir mit dem Landesrecht. Da ist unter Paragraf 2a, Absatz 3d zu lesen:
Für ländliche Räume mit geringer Einwohnerdichte (weniger als 70 Einwohner/km² im Landkreis) sind im Rahmen des Zentrale-Orte-Systems spezifische Lösungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge zu entwickeln.“

Wenn wir nun aktuelle Bevölkerungszahlen und Prognostik von Sachsen-Anhalt betrachten, könnte man den Eindruck gewinnen, das Bundesland sei mit 116 Einw/km2 normal besiedelt. Etwas anders schaut es aus, wenn man die drei kreisfreien Städte Magdeburg, Halle und Dessau-Rosslau mit ihren Einwohnerzahlen und Flächen aus der Statistik rausnimmt.Dann liegen wir bei 86,23 Einw./km2. Also alles dünn besiedelt? Nein, natürlich nicht, denn wir haben ja diverse Mittel- und Grundzentren mit  über 10 000 Einwohnern.

In der SEPL-VO2014 haben die Planer unter $4 Absatz 3/Satz3 folgende Gebiete als schwach besiedelt ausgewiesen.
a) Altmarkkreis Salzwedel, b) Landkreis Stendal, c) Landkreis Wittenberg, d) Landkreis Jerichower Land ohne die Gemeinden Biederitz, Burg, Gommern und Möser, e) Landkreis Börde ohne die Gemeinden Wanzleben-Börde, Sülzetal, Haldensleben, Hohe Börde, Niedere Börde, Barleben und Wolmirstedt.
Fragen:
In der Börde figuriert Oschersleben (106 Einw./km2) als dünn besiedelt, währenddessen Wanzleben-Börde (77 Einw/km2) die Anforderungen für normal besiedelt zu erfüllen hat, genau so wie Sülzetal (88 Einw.km2) und Niedere Börde (93 Einw./km2)

Wie steht es um folgende Einheits- und Verwaltungsgemeinden im Burgenlandkreis? (Lützen 82 Einw./km2), Verbandsgemeinde an der Finne (48 Einw./km2), Droyßiger-Zeitzer Forst (65 Einw./km2), Unstruttal (83 Einw./km2), und Wettautal (66 Einw./km2)

Was ist mit dem Harz?
Der ist ja aufgeteilt in zwei Landkreise, liegt für beide Verwaltungen peripher und gilt  als normal besiedelt, was die Anforderungen der SEPL-VO2014 betrifft. Dabei finden sich hier Gemeinden wie Oberharz am Brocken (42 Einw./km2) Gemeinde Südharz (42 Einw./km2), Arnstein (59 Einw./km2), Harzgerode (51 Einw./km2) Verbandsgemeinde Vorharz (62 Einw./km2) Sie alle gelten als normal besiedelt und haben 60/80 zu erfüllen. Mit der Einstufung „normal“ besiedelt wird der Harz ab 2018 mit Ausnahme von Harzgerode über keine Grundschule mehr verfügen. Mit der Einstufung dünn besiedelt wäre das einige Jahre später der Fall, aber es passiert genau so. Mit Zahlenvorgaben lässt sich dieses Problem also nicht lösen. Der Fehler liegt also in der Methode, mit welcher das Schulnetz zu regulieren versucht wird. 

Was heute normal besiedelt ist, wird innerhalb von 10 Jahren dünn besiedelt sein
In verschiedenen Resolutionen aus dem Burgenlandkreis, Mansfeld-Südharz und Wittenberg wurde gefordert, die vorgesehenen Erhöhungen der Mindestschülerzahlen 2017/18 zurückzunehmen. Ja, das wäre eine Möglichkeit. Gleichzeitig verlängert man damit lediglich den Tod auf Raten, denn: Wer heute noch 70 Schüler hat, wird laut Prognostik 2025 noch 40-45 Schüler haben... Dannzumal hilft die 60-er-Grenze auch nicht mehr. Wir brauchen also eine andere Form der Reaktion auf den demographischen Wandel. Gerade in dünn besiedelten Regionen sind viel mehr kommunale Mitbestimmung UND Verantwortung ein Mittel, mit welchem individuell passende Lösungen gefunden werden können. 

Entwicklung in die falsche Richtung
Mit Bedauern stellen wir fest, dass praktisch in allen Bundesländern Bewegung in die Diskussion um den Erhalt einer ortsnahen Grundschulversorgung im ländlichen Raum gekommen ist, während in Sachsen-Anhalt weiterhin an einem, auf reinen Zahlenvorgaben basierenden Schulstreichkonzert festgehalten wird. Hier werden, in Verbindung mit StarkIII, bei rückläufiger Schülerzahl die Mindestschülerzahlen mehr als verdoppelt. Dass damit das Grundchulnetz massiv ausgedünnt wird, muss wohl nicht weiter erklärt werden.

Wir zitieren nochmals aus dem Landesplanungsgesetz, Paragraf 2a) 3c: „Allen Bevölkerungsgruppen ist der gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Zugang zu Versorgungsangeboten, zu Leistungen des Bildungswesens, zu kulturellen und sportlichen Angeboten sowie zu sozialen und technischen Infrastruktureinrichtungen zu gewährleisten.“


Somit stellt sich die Frage, ob die SEPL-VO2014 überhaupt im Einklang mit dem Landesplanungsgesetz steht, denn mittelfristig findet ein gravierender Infrastrukturabbau im ländlichen Raume statt.. Dabei ist, wie schon eingangs erwähnt, nicht der Landkreis isoliert zu betrachten. Vielmehr gilt es zu beachten, wie sich die Bevölkerungsstruktur im Landkreis MINUS Mittelzentrum, Grundzentrum zusammensetzt. Macht man dies nicht, dann sind wir wieder auf dem Punkt „Sachsen-Anhalt ist normal besiedelt“ (=116 Einw./km2). Defensiv ausgerichtete Demografie-Scheuklappen-Planung.

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