Wir erleben derzeit die ersten konkreten Auswirkungen der Umsetzung dieser Schulpanungsverordnung auf mehreren Ebenen und können eigentlich nur den Kopf schütteln, über das, was da angerichtet wird. Drei Beispiele in Stichworten:
a) Stolberg, mit Millionenbeiträgen aus dem Kultur- Denkmalschutz und Regionalförderungsfonds für den Tourismus fit gemacht, muss seine Grundschule auf Grund der verdoppelten Mindestschülerzahlen und einer nicht nachvollziehbaren Ortsteilstreiterei in der Gemeinde Südharz schließen und seine Schüler ins 17 Kilometer entfernte Hayn schicken. Millionenschwerer Infrastrukturaufbau und gleichzeitig sprengen eines der wichtigsten Pfeilers des ganzen Gebäudes: der Grundschule. Macht keinen Sinn.
b) Der Stadtrat Mansfeld beschließt im Bemühen, mehr als 100 Schüler auszuweisen, bei Bedarf künftig auch die Schüler der 22,5 km entfernten Orte Molmerswende und Abberode in Mansfeld zu beschulen. Folge: 6-jährige hätten um 06:02 an der Bushaltestelle zu sein und: Die 7 Kilometer entfernte Grundschule Wippra, welche bisher aus Molmerswende und Abberode besucht wurde, rutscht damit auf die Schließungsliste. Somit verbleibt im südöstlichen Harz genau noch eine Grundschule, nämlich Harzgerode aus dem Landkreis Harz. Planung zum Nachteil von Kindern....
c) Bürgerbefragung in der Gemeinde Elbe - Heide. Die Bürger der Gemeinde Angern wehren sich gegen einen Schulschließungsbeschluss, haben die entsprechende Unterschiftenzahl gesammelt und nun wird am 1. Dez. darüber abgestimmt. Laut Schulplanungsverordnung "muss" Angern oder Burgstall geschlossen werden, was natürlich zur Folge hat, dass die Bürger der Gemeinde Burgstall die Nein-Kampagne fahren. Auch wenn allgemein die Einsicht herrscht, es sollten überhaupt keine Schulen geschlossen werden, entsteht unter dem Druck dieser nicht nachvollziehbaren Schulplanungsverordnung ein vergiftetes Klima zwischen den einzelnen Gemeinden. Genau darüber berichtete mdr am 29.11.
Wortprotokoll aus dem mdr Filmbeitrag. "Aus dem Kultusministerium heißt es, langfristig würden im ländlichen Raum die Schülerzahlen sinken. Zudem habe Sachsen-Anhalt die meisten kleinen Grundschulen im Vergleich zu andern Bundesländern".
Dann Herr Eckert im Wortlaut: "Wir haben eine demographische Entwicklung, wir haben eine Entwicklung im Personalbereich, wir haben eine Entwicklung im Haushaltbereich. Langfristig werden wir dieses kleinteilige System nicht halten, mit Unterricht versorgen und entsprechend absichern können."
Diese Arroganz!!!
Ja, es ist völlig klar, dass DIESES Schulsystem für den ländlichen Raum absolut ungeeignet ist. Rundherum wird das erkannt und korrigiert. Sachsen-Anhalt jedoch verdoppelt statt einer Korrektur in Richtung Flexibilität die Mindestschülerzahlen und entschult die ländliche Region zu großen Teilen. In vermeintlich bestandessicheren Grundzentren werden Millionen von EU-Geldern in Sanierungen und Ersatzbauten gesteckt, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass derzeit alle neueren Studien genau dieses Vorgehen als hochproblematisch und gefährlich beurteilen. Hier Zitate aus der Berlin-Studie (ab S. 159):
"Wird eine Schule schließlich doch geschlossen, ruft dies große Proteste in den Ortschaften und unter betroffenen Schülern und Eltern hervor. Schulen sind ein zentraler Ankerpunkt des sozialen Lebens, und lange Fahrzeiten vor allem zur Grundschule gelten als unzumutbar für Familien und Schüler. Auch für die demografische Entwicklung der Gemeinden und letztlich auch einer Region sind Schulen von enormer Bedeutung: Gegenden ohne Schulen sind unattraktiv für junge Familien – und damit erst recht dem demografischen Niedergang geweiht..."
"...Unabhängig von der Förderpolitik für private Schulen muss die öffentliche Planung für ein ausreichend dichtes Netz an Schulen sorgen, um den Bedürfnissen von Familien gerecht zu werden. Angesichts stark rückläufiger Schülerzahlen sind Kriterien wie Mindestklassengrößen oder Mindestschulgrößen als Hauptgrund für das Schließen einer Schule langfristig nicht konsensfähig. Dies gilt insbesondere für die Primarstufe, in der Kindern noch keine langen Wege zugemutet werden sollten..."
"....Die durch Schulschließungen eingesparten Kosten werden zudem bei sehr dünner Besiedelung oft durch die steigenden Schülerbeförderungskosten aufgezehrt. So hat eine Berechnung für die Region Mecklenburgische Seenplatte unter Berücksichtigung der Transportkosten ergeben, dass der Erhalt eines Netzes an Schulen trotz Unterschreiten der Mindestschülerzahlen billiger wäre als das Schließen
der betroffenen Einrichtungen."
"...Jahrgangsübergreifendes Lernen
Bei wenigen Kindern in der gesamten Schule können zwei bis drei Altersstufen gemeinsam unterrichtet werden. Werden drei Klassen zusammengelegt, benötigen sie nur einen Lehrer statt dreien. Da die Personalkosten im Durchschnitt 80 Prozent der Kosten pro Schüler ausmachen, erhöhen solche Maßnahmen die Tragfähigkeit enorm..." (Ende der Zitate)
Allein auf weiter Flur!
Die verantwortlichen Schulplaner wollen uns weiterhin weis machen, es gäbe keine andere Lösung dieser Problematik, obwohl inzwischen Bayern, Sachsen, NRW, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und auch Thüringen explizit für den ländlichen Raum neue Schulmodelle für Kleinstschulen (=Schulen mit weniger als 40 Kindern!!! und nicht 60 oder 80 Kinder...) ab 25 Kindern einführen, oder bereits anwenden. Diese Kurskorrektur wurde in den letzten vier Jahren eingeleitet und dabei hat man sich maßgeblich an den südlichen Nachbarländern Österreich und Schweiz orientiert, wo man diese jahrgangsdurchmischten Kleinstschulen seit Jahrzehnten betreibt.
Die Verantwortlichen Schulplaner betreiben zu dieser Thematik konsequente Gesprächsverweigerung, sprechen allenfalls von "guter Schule braucht 80 Kinder" und meinen damit preiswerte Schulen, ohne dies zu belegen... Sie blocken beim Thema jahrgangsdurchmischtem Unterricht mit "Schule aus dem letzten Jahrhundert" und merken nicht, dass sie damit zu erkennen geben, dass sie die neuen Schultrends der letzten 40 Jahre verpasst haben...
Sie erkennen auch nicht, was Herr Lippmann im mdr-Beitrag beschreibt und das Finanzministerium möglicherweise bereits gerechnet hat::
GEW Herr Lippmann: "Wenn es nach den weiter gehenden Vorstellungen des Finanzministeriums geht, dann wird sich diese Zahl verdoppeln oder sogar verdreifachen und dann würden wir bis 150-200 Grundschulen schließen..."
Ja!!! 150 Schulen!!!!
Denn: Wir sprechen heute von theoretischen Mindestschülerzahlen für die kommenden 15 Jahre. In der Verordnung steht aber auch, dass Grundschulen ab sofort mindestens 15 Kinder und ab 2017 20 Kinder pro Jahrgang einzuschulen haben..., ansonsten die Eröffnung der ersten Klasse nicht bewilligt wird... Und wie halten diese nun die Mindestschülerzahlen ein, wenn sie keine erste Klasse haben? So und jetzt sollen doch alle Gemeinden nochmals ihr Schulprognostik genau überprüfen. Sie werden Schreckliches entdecken...
Nein zu dieser Schulplanungsverordnung!
Wir fordern Gemeinde-Stadt-Regionalparlamente auf: Beschließen SIE Rückweisung dieser Verordnung, fällen Sie keine Beschlüsse zum Thema Schulschließungen, sondern fordern Sie die Landesregierung auf, unverzüglich an die Ausarbeitung einer Schulplanungsverordnung zu gehen, welche diesen Namen auch verdient.
Ergreifen Sie gegen alle gefällten Entscheide die Ihnen zustehenden demokratischen Mittel. Diese Verordnung darf so nicht umgesetzt werden, denn wir verspielen damit einen wesentlichen Teil der Zukunft Sachsen-Anhalts als familienfreundlichen Standort, den wir noch NIE konkret beworben haben.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen