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GS Pouch |
Der Schulunterricht hat wieder begonnen und täglich kann man nun in den Zeitungen die Ergebnisse von Bürgerversammlungen, Zusammenkünften von Ortsräten oder Sozialkommissionen lesen. Dabei geht es um bevorstehende Grundschulschließungen, Neuordnung von Schulkreisen, dank derer man genau diese Schließungen umgehen will, Elterninitiativen, welche sich für "ihren Standort" mit Unterschriftensammlungen, Bürgerbegehren usw. wehren. In der Tat sind die Folgen, welche diese Schulentwicklungsplanungs-Verordnung nach sich zieht, fatal. Auf den ersten Blick:
- Verdoppelung der Mindestschülerzahlen innerhalb von 3 Jahren. Im Normalfall von bisher 40 auf 80 Schüler ab Juli 2017. Damit entstehen für sehr viele Dörfer Schuleinheiten, welche nicht mehr mit ausreichend Kindern besetzt werden können. Nicht mangelnde Kinderzahlen, nein, willkürlich veränderte Schulgrößen sind Ursache für Schulschließungen.
- Dank EU-Geldern (bis zu 70% Kostenbeteiligung) will das Land Sachsen-Anhalt den offensichtlichen Investitionsstau im Grundschulbereich lösen, indem durch Zentralisierung der Grundschulangebote und Definition grösserer Schuleinheiten eine völlig neue Grundschulinfrastruktur geschaffen wird. Dies führt zur Schließung von bis zu 150 Grundschulen, vorwiegend im ländlichen Bereich! Grundschulversorgung findet nicht mehr vor Ort sondern regional statt, womit derart ausgedünnte Landstriche für Familien mit Kindern endgültig unattraktiv werden, geworden sind.
Es geht noch um viel mehr !!!
Diese Verordnung ist ein erster Schritt in Richtung Umsetzung der Theorien, welche in der Bauhausstudie bezüglich des ländlichen Raumes angedeutet wurden. "Entlassung in die Eigenverantwortlichkeit", der Staat zieht sich aus dünn besiedelten Gebieten zurück. Es wäre nun ein separates Thema, darüber nachzudenken, in welcher Form und von wem das entstandene Vakuum (welches sich ja auch in der Polizeireform abzuzeichnen beginnt) gefüllt werden wird... Tatsache ist:
- Verdoppelung der Mindestschülerzahlen für Grundschulen ist eine gewaltsamer, willkürlicher Eingriff in die ländliche Bildungsinfrastruktur und kommt einem Rückbau gleich.
- Bestandesgarantien bis 2030 zu verlangen, bedeutet: Wir diskutieren über Kinder, welche 2023 zur Welt kommen werden... 10 Jahre also, in denen aktiv Regional-Entwicklungspolitik betrieben werden kann, oder in denen eine Region abgewickelt wird. Das sind die beiden Extreme. Derzeit findet Letzteres statt. Darauf gründet auch die Schulentwicklungsplanung.Das kann begründet werden:
- Indem Landschulen mit eigentlich genügend Kindern die Einschulung von Schulklassen mit weniger als 15 oder 20 Kindern verweigert wird, betreibt man auch hier gewaltsame Zerstörung gewachsener Infrastruktur. Die Planer sind nicht interessiert, ob diese Schule im darauf folgenden Jahr 18 Kinder einschult, nein: Jetzt sind es nur 14 und deswegen wird Einschulung verweigert. Sie müssen nun in eine andere Schule gehen und der Dorfschule fehlen 14 Schüler. Das wiederum kann dazu führen, dass die notwendige Mindestanzahl von 60 oder 80 Kindern verfehlt wird, damit ist die Schule zu schließen.
DAS ist die Logik der Planer von SEPL-VO 2014: Egal mit welchen Tricks, wir müssen das Schulnetz ausdünnen. Es muss verhindert werden, dass weiterhin Grundschulen mit 40 Kindern Bestandessicherheit bis 2025 ausweisen dürfen und damit eigentlich in den Genuss von StarkIII kommen würden. DAS will man auf keinen Fall. Genau DAS wäre aber möglich, wenn man nur die EU-Förderrichtlinien anschaut!!!!
Darf man das Willkür nennen?
Diese Verordnung enthält noch einen Passus, der den wenigsten Behörden und Elterninitiativen bekannt ist. Im Gegenteil, an verschiedenen Informationsveranstaltungen wurde bisher angedeutet, es sei ja nicht ausgeschlossen, dass die Schule (genügend Kinder vorausgesetzt und damit meinte man 60 oder 80 Kinder) wieder eröffnet werden könne. Das ist eine Fehlannahme, denn auch für diesen Fall sind Pflöcke in der Verordnung eingeschlagen, welche das nachhaltig verhindern:
(15)Neue Schulen können in die Schulentwicklungsplanung aufgenommen werden, wenn der Schulträger für sie mindestens 5 Jahre im Voraus folgende Zügigkeitswerte aufweist:
Grundschulen: Zügigkeitswert grösser als 2,0.
Klartext: Eine Grundschule, welche neu oder wieder eröffnet werden soll, muss also mit Antragsstellung für die kommenden 5 Jahre mindestens 120 (dünn besiedelt) oder 160 SchülerInnen ausweisen. Welche ländliche Gemeinde kann das? Damit sind wir bei der Zentralisierung des Grundschulangebotes für 7-11-Jährige angekommen! Zumutbarer Schulweg 75 Minuten ein Weg.... Lässt sich das noch Stützung der ländlichen Region nennen ??? Wir nennen das Kahlschlag!
Kanalisierung in der Siedlungspolitik
Halten wir fest: Als Konsequenz dieser SEPL-VO 2014 gibt es ab 2019 Zonen, in welchen Grundschulbildung vor Ort gewährleistet ist und andere, in welche man mit Kindern besser nicht hinzieht. Offensichtlich lässt man sich da von der irrigen Annahme leiten, wer in Stolberg Wohnsitz nehmen will, lässt sich wegen der besseren Infrastruktur in Wernigerode nieder. Junge Familien ziehen künftig nicht mehr nach Eichenbarleben und Rottmersleben, sondern nach Hermsdorf. Nicht Hoym oder Frose, sondern Nachterstedt.
Unabhängig von Geschichte, Kultur und Tradition. Unbesehen gewachsener oder künstlicher Strukturen. So wollen es die Planer! Die Realität ist jedoch, dass die Zielgruppe völlig anders entscheidet: Weder noch, sie verlässt das Land, oder zieht gar nicht erst hin. Die Zeiten von Planwirtschaft oder Verfügungsmonopol über Menschen, Familien, sind endgültig vorbei...Grundschulangebote vor Ort spielen dabei eine zentrale Rolle.
Im nächsten Beitrag befassen wir uns mit dem Thema: Was passiert mit EU-Geldern, welche für die Stützung des ländlichen Raumes vorgesehen sind? Heikle Fragen.
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