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Der große Bluff (2/3) Die Plattmacher-Verordnungen

...und es begab sich in diesem Lande, dass nur drei Monate nach den ersten Ankündigungen vom Nov.2012 eine neue Meldung durch die Medien ging. "Landesregierung beschließt neue Schulnetzverordnung". Während in anderen Ländern eine derartige Planung unter Einbeziehung aller Kreise über Jahre vorangetrieben wird, hat man hier also innerhalb von Monaten den großen Wurf gemacht und diesen mit einem hochtrabenden Titel versehen.
Obwohl dann die wirkliche Verordnung erst im Mai 2013 rechtskräftig wurde, begann bereits im Februar unter ungeheurem Termindruck die Planung in einzelnen Gemeinden. Weshalb? Dazu später.
 Schulplanungsverordnung = Schließungsverordnung
Alle ländlichen Schulen werden mit SEPL-VO2014 im Grunde genommen als nicht bestandsfähig definiert und Reorganisation eingefordert. Wie das? Ganz einfach: 
         Die Landesregierung verdoppelt per Verordnung die Mindestschülerzahlen! Niemand im Lande störte sich an der Argumentation: "Abnehmende Schülerzahlen zwingen uns zu Schulschließungen".  Die Schülerzahlen nehmen in den kommenden Jahren zu!

   Die Landesregierung legt für die Eingangsklassen Mindestschülerzahlen von 15 und später 20 fest. Ein Wert, der im ländlichen Raum immer wieder unterschritten wird und nun als weiterer Schließungsgrund herhalten soll. Ein einmaliger Vorgang in Europa.

   Gleichzeitig hat die Landesregierung bereits im Entscheid vom Februar definiert: "Einen Schulverbund .... verbietet das Ministerium allerdings von vornherein." Verordnet wird also ein Schulsystem, welches heißt: Jahrgangsklassen, Mindestgrößen für Einschulungsklassen und Schulen. Statt flexiblen und mobilen Kleinbussen ein Mega-Liner, unbrauchbar für Fahrten im ländlichen Raum!

Was man in dieser Schließungsverordnung vergeblich sucht:
   Woher generiert die Schule ihre Kinder? Aus der Region oder dem Dorf? Das wäre ein ganz entscheidendes Kriterium.
   Altersstruktur im Dorf: Wie hoch ist der Anteil der Gruppe 0-45 in Zahlen? In anderen Ländern ist dies ein Wert, um Dorfschulen bewusst zu halten oder sogar neu anzusiedeln.

Kommunen als Schulträger werden aufgefordert, unverzüglich an die Planung zu gehen und bis Ende Januar 2014 Schulabwicklungspläne zu entwickeln und durch die Landkreise genehmigen zu lassen. Der Zweck von SEPL-VO2014 besteht also darin , möglichst viele Schulen als NICHT bestandsfähig zu deklarieren und damit als Türöffner für ein anderes Programm zu dienen. 
Das klang dann im Februar 2013 so. Man plant also ohne gültige Vorlage, diskutiert: "Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir keine Grundschule angefasst. Aber man hat uns förmlich die Pistole auf die Brust gesetzt“, macht Meyer klar. Der Stadtrat beschließt am 31.7.2013 die Schließung der zwei Schulen und wird für dieses zügige Vorgehen am 3.1. 2014 fürstlich belohnt: 3,1 Mio Fördermittel für Turnhalle!!! In Bluff 3/3 wird die Geschichte um den Standort Nachterstedt übrigens weiter geschrieben.

Somit kommen wir zum Kern dessen, was als vorgeschobene Sparmaßnahme vom Kultusministerium auf den Weg gebracht wurde.  


STARKIII - die 900 Millionen-Bonbon-Kiste!
Total rund 600 Mio € erwartet das Finanzministerium von der EU für derartige Strukturverbesserungen, für Sanierungen etc.  Rund 300 Mio €  müssen zusätzlich von den Standortgemeinden, welche solche Förderanträge stellen, zugeschossen werden. Es geht also um richtig viel Kohle! Das meint auch unser Finanzminister:  Niemand bleibt an seinem Satz hängen: "Außerdem wird das Programm zusätzliche Impulse für die heimische Wirtschaft geben, da fast alle Aufträge im Land bleiben." Niemand traute sich offenbar die Frage zu stellen: Ab welcher Bausumme müssen denn Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden? 

Das große Buhlen um die Finanztöpfe
Nun entwickelt sich ein Verwirrspiel, welches rational nicht mehr nachzuvollziehen ist. Innerhalb der erst vor 4 Jahren gegründeten Verwaltungs- und Einheitsgemeinden beginnen die Ortsteile und Gemeindeglieder FÜR ihre Schule und GEGEN die Schule der Nachbarn zu kämpfen. Niemand opfert seine Schule freiwillig.  Dabei spielt es keine Rolle, ob frisch sanierte Standorte aufgegeben und marode Schulanlagen zu Zielschulen bestimmt werden. Dafür gibt es ja STARK III. Das am Meisten gehörte Argument auf Versammlungen: „Was diskutieren wir hier eigentlich noch? Es ist doch schon alles hinter den Kulissen entschieden!".

Höhere Planungsparameter von STARKIII
Und siehe da: Wer Fördergelder beantragt, erfährt, dass "förderfähige" Schulen bis 2030 mindestens 100 Schüler ausweisen sollten. Davon stand nichts in SEPL-VO2014! Richtig, hier  geht es um StarkIII, da gelten andere Gesetze.   Somit müssen ganz schnell neue Schüler organisiert werden, sonst gibt es kein Geld. Selbst die großen Zeitungen unterlassen es, vom Finanzministerium eine schriftliche Auskunft darüber zu verlangen, wer denn eigentlich diese Eckwerte  festsetzt. Die EU oder das Finanzministerium? 

Mit STARKIII setzt das Finanzministerium Planungseckwerte, welche weit über dem liegen, was das Kultusministerium in seiner Verordnung festlegt. Weitere Schulschließungen werden auf diesem Wege erzwungen! 

Damit sind wir beim Wesentlichen angekommen:
   Ersparnis an Lehrkräften marginal
   Geldvernichtung, indem sehr viele gut sanierte Objekte aufgegeben werden.
 Belastung des öffentlichen Verkehrs, wo zusätzliche Transportkapazitäten für Schülertransporte aufgebaut werden, was Millionenkosten nach sich zieht.
  Fehleinsatz von EU Fördergeldern, welche dezentral sinnvoller und effizienter angelegt wären.
 Familien und Kinder spielen eigentlich keine Rolle mehr , denn wie sagte unser Finanzminister?  "Mit STARK III hat Sachsen-Anhalt eines der zentralen  Investitionsvorhaben für die Kommunen und auch für die regionale  Wirtschaft in diesem Jahrzehnt begonnen. Vorausgesetzt die EU-Kommission stimmt dem zu, könnte das Programm rund 600 Millionen Euro umfassen, die bis 2019 investiert werden sollen. Alle Schulen und Kindertagesstätten im Land sollen energetisch saniert und mit IT modernisiert werden – sofern sie den Demografie-Check bestehen." Quelle

Den Preis für die Umsetzung dieses Wirtschafts-Impuls-Programmes bezahlen unsere 6-11-Jährigen, indem sie zu Reisenden werden. 
Den Preis zahlt der ländliche Raum, der in vielen Regionen seiner Grundschulen und damit der Zukunftsperspektiven beraubt wird.

Wie machen das nur unsere Nachbarländer, denen es gelingt, mit denselben EU-Fonds ihre Dorfstrukturen und Grundschulen zu sanieren und damit zur Nachhaltigkeit der ländlichen Region einen wesentlichen Beitrag leisten?




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