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Rechte unserer Kinder: Eine Aufgabe für die Omas und Opas? Eine Zuschrift.

Dorfschule Schwändi GL/CH
In der laufenden Diskussion zum Thema Grundschulschließungen hat sich im Zusammenhang mit unserem Vorschlag deutlich gezeigt, dass viele unserer Gesprächspartner das Thema altersdurchmischtes Lernen/Mehrklassen nur noch vom Hören Sagen kennen und deswegen einige Fragezeichen bezüglich der Schulqualität setzen. Dies hängt damit zusammen, dass in unseren Regionen in den 60-er und 70 -er Jahren das Schulsystem konsequent auf die Organisationsform POS umgestellt wurde. Hier besuchten üblicherweise auch die Grundschüler den Unterricht. 
So hat es uns ganz besonders gefreut, dass wir in den letzten Tagen eine Zuschrift erhalten haben, deren Autorin noch in einer Dorfschule den Unterricht besucht hat. Sie erklärt wunderbar, wie sie das erlebt hat. Nach Rücksprache und mit Einverständnis veröffentlichen wir diesen Brief:

Eben habe ich im mdr-Fernsehen – wieder einmal – mit ansehen müssen, dass / wie das Schulsterben weiter forciert wird. Auch als Rentnerin mit erwachsenen Kindern verfolge ich diese Entwicklung blutenden Herzens und mit großer Trauer. Daher freue ich mich,  von Ihrem “Aktionsbündnis  Grundschulen vor Ort” zu hören. Gern schildere ich Ihnen meine eigenen Erfahrungen mit schuljahresübergreifendem Unterricht:

Selbst war ich die ersten vier Schuljahre (1958 bis 1962)  in einer Schule in meinem Heimatdorf Leetza, in der es nur 2 Klassen gab, eine für das 1. und 2. Schuljahr und eine für  das 3. und 4. Schuljahr. Ab der  5. Klasse fuhren wir dann mit dem Schulbus in die Schule in der 5 Kilometer entfernten  Kleinstadt, nach Zahna.
Unser Dorf hatte noch zwei Ortsteile in einer Entfernung von ca. 1 - 1,5 km, so dass die Kinder von dort mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Schule kamen. Jede der beiden Klassen hatte ca. 20 bis 25 Kinder.
Natürlich kann ich mich nicht mehr so genau erinnern,  wie die Lehrer  den Unterricht im einzelnen organisierten.
In meinen ersten zwei Schuljahren kamen zwei Lehrer von außerhalb zu uns in die Schule.  Ab meinem dritten Schuljahr war dann ein Lehrerehepaar ins Dorf gekommen, das auch in der Schule wohnte. Die musischen Fächer unterrichtete sie  für alle Schuljahre, regulär betreute sie das erste und zweite Schuljahr. Sie hatte auch eine Flötengruppe gegründet und einen Chor, natürlich freiwillig am Nachmittag.
Er  - für das dritte und vierte Schuljahr zuständig - gründete eine „Arbeitsgemeinschaft Junger Naturforscher und Touristen“. Wir entdeckten durch ihn die Dorfumgebung mit ganz anderen Augen, lernten Hangeln und Klettern,  er erklärte uns die Spuren der Tiere, wir  machten lange Radtouren in die weitere Umgebung. Es war immer spannend, ihm zuzuhören.
Der Saal der Gaststätte war gleichzeitig unsere Turnhalle. Ob Weihnachtsfeier, erster Mai oder andere Anlässe  - dort wurde gefeiert und wir führten kleine Programme für die Dorfbewohner  auf.
Natürlich wussten die beiden alles, was im Dorf geschah, was in den einzelnen Elternhäusern los war, wo es Probleme gab, wer wann was wo angestellt hatte.  

Es gab auch einen Hort für die Nachmittagszeit. Aus dem Schulgarten - der sich auf dem Schulgrundstück befand - kam das selbst geerntete Obst und Gemüse in die Schulküche, die in einem Nebengebäude auf dem Hof von zwei Frauen aus dem Dorf betreut wurde.
Übrigens - auch der Religionsunterricht fand nachmittags in der Schule statt.

Von besonderer Bedeutung ist für mich  aus heutiger Sicht und im Vergleich mit der heutigen Situation der Grundschüler, dass wir damals in diesen kleinen, vertrauten Gruppen zusammenlebten und diese persönliche Näher als Schüler untereinander und zu den Lehrern hatten.  Heute kann ich sagen: Diese Schulzeit im eigenen Dorf war das beste, was  das Leben mir mitgeben konnte.

Mit anderen Worten - aus eigenen Erfahrungen kann ich bestätigen, dass für uns als Kinder der schuljahresübergreifende Unterricht in kleinen Gruppen vor Ort wesentlich vorteilhafter war als wenn wir die heute praktizierten Formen mit langen Schulwegen in große, fremde Schulen hätten auf uns nehmen müssen.  Die eigene gute Erfahrung ist es, die mein Entsetzen über das, was mit den Grundschülern heute passiert,  noch verstärkt.

Ihrem Aktionsbündnis wünsche ich, dass es Ihnen gelingt, das  geplante Schulsterben zu verhindern, und   dass Ihre Ideen für die Neugestaltung der Grundschulen offene Ohren  und wachsende Unterstützung  bei Lehrern, Eltern und den politischen Entscheidungsträgern finden.

Mit den herzlichsten  Grüßen und besten Wünschen
Brunhild Krüger
Diplom-Physikerin
Lutherstadt-Wittenberg

Vielen Dank, Frau Krüger. Ihr Brief muntert uns natürlich auf und führt unweigerlich zu folgendem Gedanken: Müssen wir uns an die Omas und Opas, oder gar die Ur-Omas und Ur-Opas der heutigen Kinder wenden, sie erzählen lassen, wie sie ihre Schulzeit erlebt haben? 

Werden es die Omas und Opas sein, welche mit ihrer Lebens- und Schulerfahrung vor Ort und im Wahllokal dafür kämpfen müssen, dass ihren  Enkeln die ortsnahe Beschulung erhalten bleibt?

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