Das Aktionsbündnis Grundschulen vor Ort weist seit Monaten darauf hin, dass es im Zusammenhang mit der Umsetzung der Schulentwicklungsplanungsverordnung (SEPL-VO2014) um weit mehr geht, als um die Aufhebung einer Bildungseinrichtung. Wir beschreiben die Schule als Spinne im Netz, fehlt sie, wird dieses nicht mehr weiter gesponnen. Dieser Ansicht wird zwar von der Verwaltung widersprochen, so wichtig sei die Stellung der Schule als Haltefaktor nicht. Es lohnt sich deswegen doppelt, diesen aktuellen Beitrag aus der MZ zu lesen.
Vorgeschichte
Vor etwa 9 Monaten fand in Frose eine Informationsveranstaltung zum Thema Schulentwicklungsplan statt. Dort wurde dargelegt, dass es dringend nötig sei, sich schulisch auf einen Standort zu konzentrieren, um in den Genuss von StarkIII-Fördermitteln zu kommen. Es sei wichtig, eine bestandesfähige Grundschule auszuweisen, um nicht auch noch die Sekundarschule (in Nachterstedt) zu verlieren. Diskutiert wurde, was praktisch schon beschlossen war: Schließung GS Frose 2014, Schließung Hoym 2017. Selbst betroffene Schulleiter erfuhren diese Plänen erst wenige Tage vor dieser Sitzung und zwar durch die Medien. Es war also nachvollziehbar, dass die Betroffenen von einem Gemauschel sprachen.
Die drei Orte, um die es geht:
Hoym, 2500 Einwohner, gewachsene Infrastrukturen, sehr gute Einkaufsmöglichkeiten (NP, Edeka, Aldi, Fachgeschäfte) Ärztehaus, erst vor wenigen Jahren des Stadtrechtes beraubt mit einer top-sanierten Schule (Prinzenhaus)und Sporthalle, in welche 2005 rund 2,5 Mio € investiert wurden. Dorfzentrum mit kleinen Läden und recht viel Kleingewerbe. Ja, wie alle andern Orte ist auch Hoym zum Teil überaltert, verfügt aber über eine bestandesfähige Altersgruppe 0-45. Darauf lässt sich aufbauen. "Man" geht nach Hoym. Grundschule mit großer Tradition.
Nachterstedt: Knapp 2000 Einwohner, Dorf nach 1920 neu aufgebaut, da der alte Standort dem Grubenbau zum Opfer fiel. Standort der Stadtverwaltung, was schon damals für viel Ärger sorgte Sekundarschule, ein Supermarket und Bahnstation. GS und Sekundarschule.
Frose: 1500 Einwohner, bis 1990 mit Bauverbot belegt, da ebenfalls in unmittelbarer Nähe von Gruben. Trotzdem haben sich anschließend Leute entschlossen, hier sesshaft zu werden. Tolle Stiftskirche, Grundschule, Ladengeschäfte, tolles Schützenhaus, Bahnanschluss.
Es ist also völlig klar, dass Hoym in diesem Vergleich die Funktion eines Grundzentrums wahr nimmt, Nachterstedt auf Grund seiner Geschichte, aber auch der Infrastruktur ein eher unbedeutender Ort ist.
Nun kommt der Behörden-Irrläufer!!!!
Phase 1: Beschluss der Schließung von Frose und Hoym.
Ganz klar ein massiver Eingriff in die vorhandene gewachsene Struktur der drei Orte. Nachterstedt wird gestärkt, Frose und Hoym geschwächt. Über diese Aussage muss nicht gestritten wird, sie ist generell wissenschaftlich belegt und seit Jahren warnen Fachleute davor, leichtsinnig Grundschulstandorte aufzulösen. (inzwischen hat Nachterstedt den Förderbescheid für den Bau einer Doppelturnhalle erhalten. Deswegen musst der damalige Entscheid so schnell über das Knie gebrochen werden).
Phase 2: Der Geheimplan
Gefasst wurde der Beschluss 2010, wie jetzt in der mz bekannt wurde: Neuordnung der Grundzentren. Dies scheint einherzugehen mit der Auswahl der künftigen Schulstandorte. Es handelt sich hier also um den Versuch, neue, vermeintlich optimale Grundzentren zu schaffen. Diese haben dann die Leistungen der Grundversorgung anzubieten. Scheinbar spielt es dabei keine Rolle, was wo bereits vorhanden ist. Nein, man plant von Null auf. Wieder ein Vorgang, der mit moderner Regionalplanung absolut nichts zu tun hat. Dort geht man nämlich davon aus, dass Zentren sich auf Grund höherer Mobilität flexibel entwickeln und wandeln. Das alles läuft offenbar ohne wirkliche Information an die betroffenen Ortsteile oder nur an die Orte, welche als Zentrum ausgewählt werden.
Phase 3 : Umsetzung:
Nachdem man also die Schulen mit NICHT nachvollziehbaren Argumenten am einen Ort geschlossen, am andern Ort angesiedelt hat (mit der Behauptung, ansonsten ändere sich selbstverständlich nichts!!!), lässt man die Katze aus dem Sack. Jetzt wird die Argumentation für das Thema Grundzentrum aufgefahren:"Die Dienstleistungen (auch wenn es nur die Schule und die Stadtverwaltung ist) befinden sich bereits hier, der Ort hat also Zentrumsfunktion. Sprich: Ihr habt ja nicht mal ne Schule!!!! Ätsch...
Indem dies nun amtlich definiert wird, beraubt man Hoym, welches eigentlich vom Dienstleistungsangebot her ganz klar Zentrum ist, seiner Position. Künftig werden Ärzte und weitere Dienstleister angehalten, in Nachterstedt zu investieren. Damit verbunden macht man sicherlich auch Förderangebote, wenn nötig scheidet man neue Bauzonen aus, was dem eigentlichen Grundzentrum Hoym verweigert wird. Es handelt sich also um einen brutalen Eingriff in die harmonisch gewachsene ländliche Infrastruktur. Bei Schülern sagt man, 4 Kilometer Schulweg von Hoym nach Nachterstedt seien doch kein Problem. Aha richtig. Aber ein Grundzentrum 4 Kilometer neben einem bestehenden Grundzentrum zu errichten und zu behaupten, der Grund sei, ein solches Zentrum müsse zentral liegen, DAS ist dann ein Argument?
Die Folgen: In Hoym und Frose zieht nicht einfach die Schule weg. Das ist eine Lüge. Planer bestimmen am Tisch, wo Versorgung hinkommt, wo die Menschen hinmüssen und letztlich, wo sie zu leben haben. DAS ist der große Irrtum. In naher Zukunft sollten also Ärzte, Dienstleister usw. sich in Nachterstedt ansiedeln? Das geht auf Kosten der bestehenden Dienstleistungsinfrastruktur in Hoym. Folge? In Hoym und Frose entsteht mittelfristig Wegzug und kein Zuzug. Dass Hoymer oder Froser sich im neuen Grundzentrum ansiedeln, ist eine Fehlannahme. Brasilia im Kleinen. Die Region blutet weiter aus und das künstlich geschaffene Grundzentrum geht mangels Nachfrage ein. Die Region blutet aus.
Weitere Beispiele: Hayn, Stolberg, Rottleberode. Letzteres soll offenbar auf Kosten Stolbergs Grundzentrum werden. Ebenso in der Börde an verschiedenen Orten.
Schulentwicklungsplanung = Neuverteilung der Grundzentren
Wenn wir also von Schulentwicklungsplanung und Grundschulen vor Ort sprechen, sollten wir ab sofort obige Gleichung im Kopf haben. Es geht hierbei um die Theorie der zentralen Orte aus den dreißiger Jahren. Sie ist entstanden im Bestreben, mangels Öffentlichem Nahverkehr und Mobilität Zentren zu schaffen, in denen lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen verfügbar waren.
Im Bereich Grundschulen buchstabiert man in Europa seit den frühen 70-er-Jahren zurück, bei uns nicht. Nein, es scheint, dass tatsächlich dieses längst widerlegte Planungsmodell mit aller Gewalt und einem Minimum an Dialog durchgedrückt werden soll.
Damit kriegt der folgende Satz eine neue Bedeutung und ist nicht mehr widerlegbar:
Zieht die Schule weg, stirbt das Dorf
Hoym ist das erste Beispiel von Vielen, welche folgen werden!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen